Gefühle, die die Menschheit bis heute prägen

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Terra baixa zeigt die Geschichte des Hirten Manelic, der aus den Bergen herabsteigt und dabei in ein Netz von Intrigen und Eifersucht gerät. Choreograph und Regisseur Enrique Gasa Valga im Interview.

Herr Gasa Valga, wie würden Sie das Schauspiel von Àngel Guimeà, das die Vorlage für Ihr Tanzstück ist, in wenigen Worten beschreiben?

Das Drama ist archaisch. Es spricht über rohe Gefühle, über Korruption, Unterdrückung und Befreiung. Und es zeigt uns in der Figur des Hirten Manelic einen sehr reinen, im besten Sinne naiven Charakter. Die dörfliche Gesellschaft, die geschildert wird, kann dabei als Beispiel für die ganze Menschheit gesehen werden. – Der Autor hat übrigens etwas sehr Treffendes über sein Werk gesagt: „Der Erfolg oder Misserfolg des dargestellten Dramas spielt für die Menschheit überhaupt keine Rolle, aber für den Autor sitzt die Menschheit in dem Augenblick im Zuschauerraum.“ Das ist ein Gefühl, das ich als Choreograf und Regisseur gut kenne: die Nervosität und Anspannung, weil ich den Eindruck habe, die ganze Welt sieht gerade, was ich denke, fühle, empfinde …

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Was sagt uns das Drama heute?

In der Zeit, die darin beschrieben wird, war es üblich, dass die Bauern ihr Land von einem Lehnsherrn gegen Zahlung einer hohen Pacht erhalten haben – somit war dieser ein sehr mächtiger Mann im dörflichen Leben. Ebenso gab es eine althergebrachte „Tradition“, nach der dieser Lehnsherr das „Recht“ hatte, in der Hochzeitsnacht die Braut zu begatten – oder direkter gesagt: sie zu vergewaltigen. Doch eines Tages ließen sich die Bauern das nicht mehr gefallen, es kam zu einem Aufstand. Das Stück spielt in der Zeit kurz vor diesem Aufstand – und die Zuneigung, die für die einfachen Menschen zu spüren ist, hat sicher dazu beigetragen, dass es zu einem Stück katalanischer Nationalliteratur wurde. Aber dass Menschen sich gegen unzumutbare Zustände auflehnen, gegen einen ungeliebten Herrscher aufbegehren – das zeichnet bis heute das menschliche Zusammenleben aus.

„Terra baixa“ ist ein Klassiker der katalanischen
Literatur, es ist das Nationalwerk Kataloniens.
Es erzählt von Liebe, Eifersucht, Macht und Mord. Das
sind Gefühle, die die Menschheit bis heute prägen.“

Enrique Gasa Valga

Was ist das Katalanische an diesem Stück?

Wie die Personen sind, was sie machen, was wichtig ist für sie oder nicht, ist katalanisch. Dabei ähnelt eine Katalanin, ein Katalane den Menschen hier in Tirol: Man ist stolz, hat eine große Liebe für das eigene Land, das von Bergen geprägt ist, man ist wortkarg und sehr familiär. Das Theaterstück spiegelt das wider, es ist in einer sehr klaren Sprache geschrieben. In meiner Inszenierung soll die Musik dieses katalanische Universum erschaffen, sie stammt von katalanischen Komponist*innen oder ist katalanische Volksmusik.

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Zum Abschluss gefragt: Was bedeutet Heimat für Sie?

Theater! Das ist gerade so ein Spagat, den ich vollziehe: Ich liebe natürlich Katalonien, meine ganze Familie lebt dort. Gleichzeitig liebe ich auch Tirol, die Heimat meiner Frau. Aber wo ich mich am meisten zuhause fühle – das ist das Theater.

Fotos: Birgit Gufler


Terra baixa

Tanzstück von Enrique Gasa Valga
Nach dem gleichnamigen Theaterstück von Àngel Guimerà
Libretto von Enrique Gasa Valga und Katajun Peer-Diamond

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