Unser eigenes, gemeinsames «Romeo und Julia»

   Blogbeitrag

Romeo und Julia stehen wohl für das bekannteste und auch tragischste Liebespaar der Theaterliteratur. Eine junge, unschuldige Liebe, die von einem verfeindeten Umfeld im Keim erstickt wird und innerhalb kurzer Zeit im Tod des Paares endet. William Shakespeares Stück über familiäre Machtintrigen, schicksalshafte Zufälle und eine große, kurze Liebe hat am 25. Oktober als Tanzstück im Großen Haus Premiere. Co-Tanzdirektor und Choreograf Marcel Leemann gewährt Einblicke in die erste Produktion der Tanzsparte in der kommenden Spielzeit.

Marcel, was reizt dich an diesem klassisch-historischen Stoff?

Marcel Leemann Erst einmal ist es eine wunderschöne Liebesgeschichte, voll von Emotionen und Dramatik. Das ist eine dankbare Vorlage für ein Bühnenstück. Zum anderen sind die gesellschaftliche Situation und das soziale Umfeld, in denen diese Liebe zum Blühen kommt – und an denen sie letztlich scheitert – nach wie vor aktuell: Zwei Familien, die verfeindet sind, Machtspiele, eine arrangierte Heirat, Gruppierungen junger Menschen, Fragen wie: Wo gehöre ich hin? Wofür stehe ich? Oder: Was genau bedeutet Liebe eigentlich? All das findet nach wie vor auf dieser Welt statt und ist Bestandteil unseres heutigen Lebens.

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Einblick in die Proben, © Amir Kaufmann

Die Protagonist:innen im Stück sind jung und unschuldig. Das System, in das sie hineingeboren wurden, haben sie sich nicht ausgesucht und sie wollen sich ihm nicht unterwerfen. Viele Ereignisse im Stück basieren auf unglücklichen Zufällen, die im Drama enden. Das kennen wir alle: Glück und Pech stehen manchmal nahe beieinander. Shakespeares wunderschöne Texte werden uns begleiten und inspirieren. 

«Es geht um Liebe – das
vielleicht Wichtigste im Leben.»

Marcel Leemann, Choreografie

Worauf freust du dich besonders bei der Erarbeitung des Stücks mit unserem Tanzensemble?

Wir haben das perfekte Ensemble für diesen Stoff. Alle sind jung, offen und auf der Suche nach Lebenserfahrungen und Auseinandersetzungen, die sie interessieren und durch die sie sich weiterentwickeln können. Wir werden uns auf eine Reise begeben und unser eigenes, gemeinsames Romeo und Julia auf die Bühne zaubern. Das soll durchaus traditionell angelegt sein und auf Shakespeares Erzählung und Dramaturgie basieren, jedoch möchten wir uns die Freiheit nehmen, teilweise etwas heutiger mit dem Stoff umzugehen. Ich möchte die Tänzer:innen nicht in ein zeitliches Korsett drücken, sondern möchte ihr Verständnis für das Jungsein und das Leben mit einfließen lassen. Sie sollen sich auch persönlich mit ihren Erfahrungen und Ideen einbringen können.

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Kostümskizzen von Louise Flanagan

Wie wirkt sich dein choreografisches Konzept auf die Bühne und die Kostüme aus?

Das Stück erschien kurz vor 1600, fällt also in die Zeit der Renaissance. Unser Verona auf der Bühne spiegelt sich in einer angedeuteten italienischen Piazza. Mittendrin thront eine vier Meter hoher Statue, die die beiden Familien und deren Macht symbolisiert. Dazu haben wir die Möglichkeit, Elemente auf- und abtauchen sowie runter- und hochfahren zu lassen. So können wir konzentrierte, intime Räume innerhalb einer großen Fläche schaffen. Unsere Bühnenbildnerin Ayse Gülsüm Özel ist auch eine versierte Videokünstlerin. Die Videoebene dient uns als Sprachrohr und als zusätzliches Instrument, Stimmungen zu unterstreichen und zu vergrößern. Louise Flanagan hat Kostüme mit einer ästhetischen Mischung aus Renaissance und heutigem Straßenlook entworfen. Ich freue mich auf die Herausforderung, den Spagat zwischen diesen Zeitepochen zu schaffen.

Sergei S. Prokofjew hat mit «Romeo und Julia» eine der berühmtesten Ballettmusiken komponiert. Was löst diese wunderschöne Musik in dir aus, wie würdest du sie beschreiben?

Die Musik gibt ja eigentlich die Dramaturgie des Stücks vor. Prokofjew ist meiner Meinung nach ein Meisterwerk gelungen – er muss während des Komponierens eine wahre Sternstunde gehabt haben. Die Musik ist genauso berührend wie kraftvoll, intensiv und zart. Man kann in ihr baden und sich von ihr leiten lassen. Ich freue mich sehr, dass uns das Tiroler Symphonieorchester live bei diesem Abend begleiten wird. Mit unserem Dirigenten Matthew Toogood haben wir einen
optimalen, sehr tanzaffinen Partner zur Seite, den wir schon bestens kennen und sehr schätzen – wir durften bereits für den diesjährigen Tanz-Doppelabend Stabat Mater & Les Noces mit ihm zusammenarbeiten.

 

Die Fragen stellte Stefan Späti.


ROMEO UND JULIA

Ballett in 4 Akten op. 64 (1935-36, rev. 1940) von Sergej S. Prokofjew,
Adrian Piotrovsky, Leonid Lavrovsky und Sergei Radlov

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© Lisa Edi

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