Religion, Emanzipation, Tradition, Familie, Identität, Freiheit, Liebe –The Who and the What berührt die großen Themen der menschlichen Existenz und fordert zur Diskussion und Stellungnahme heraus.
The Who and the What des US-amerikanisch-pakistanischen Autors Ayad Akhtar behandelt die Zerrissenheit einer muslimischen Familie mit Migrationshintergrund zwischen der westlichen Welt des 21. Jahrhunderts und religiösen Traditionen.
Die junge, emanzipierte Muslimin Zarina ist im Stück mit dem spannungsgeladenen Konflikt ihrer eigenen kritischen Interpretation des Islam bzw. des Propheten Mohammed sowie den traditionellen Vorstellungen ihres Vaters konfrontiert. Letzterer ist zudem auf der Suche nach einem Ehemann für Zarina, der natürlich seinen Wertvorstellungen entsprechen soll. Die Familie droht zu zerbrechen.
Viel Brisanz und Aktualität in einem Schauspiel, dass trotz der ernsten Thematik den Humor nicht zu kurz kommen lässt. Regisseurin Angelika Zacek und Zarina-Darstellerin Marion Fuhs im Gespräch.
Wie würden Sie das Stück charakterisieren?
Angelika Zacek: Das Stück ist im dramatischen Genre des „Well made Play“ einzuordnen. Ein sehr gut geschriebenes, humorvolles, wie auch tief berührendes Familiendrama. Es beinhaltet uns sehr bekannte Generationenkonflikte, Religionskonflikte – und befasst sich mit dem islamischen Feminismus und der Deutungshoheit von Koran-Interpretationen und Geschichtserzählungen im weiten Spannungs-Spektrum von traditionell bis progressiv.
Was sind die Stärken des Stücks?
Zacek: Die Situationen und Figuren in dem Stück sind überaus spannend, sehr gut greifbar und spielbar, auch für Schauspieler*innen, die nicht muslimische Wurzeln besitzen und einen Migrationshintergrund haben. Dennoch sind wir uns des Diversitätsdiskurses bewusst, gehen offensiv damit um und laden zum Nachgespräch ein. Auch christlich aufgewachsene Menschen können sehr gut die inneren und äußeren Konflikte der Figuren nachvollziehen und auf die eigenen Erfahrungswerte adaptieren. Die von diesem Ensemble sehr gut gespielten, humorvollen sowie tiefgreifenden Situationen eröffnen uns packende Momente, die den Abend zum Erlebnis machen.
„Ich wünsche mir einen regen Austausch und
eine spannende Diskussion nach dem Abend,
denn die Themen sind aktuell und der Diskurs darüber wichtig.“
Angelika Zacek
Das Stück kann als Islamkritik verstanden werden. Erwarten Sie Reaktionen aus der muslimischen Community?
Zacek: Das Stück ist von einem muslimischen Autor verfasst worden. Wie es aufgenommen und angenommen wird, hängt zum Großteil von der Haltung der Betrachtenden ab. Ich wünsche mir einen regen Austausch und eine spannende Diskussion nach dem Abend, denn die Themen sind aktuell und der Diskurs darüber wichtig. Ich finde, Theater ist ein guter Ort, um emphatisch und inhaltlich in eine Auseinandersetzung zu gehen.
Spielt bei der Inszenierung auch der Gedanke mit, muslimische Frauen zu ermutigen, überkommene Strukturen zu hinterfragen?
Zacek: Ayaan Hirsi Ali, die bekannte niederländisch-amerikanische Politikerin, Politikwissenschaftlerin, Frauenrechtlerin und Islamkritikerin somalischer Herkunft, wird nicht umsonst in dem Stück erwähnt. Und es ist ja eine Frau – Zarina, die Hauptfigur im Stück –, die Strukturen und Interpretationen hinterfragt. Patriarchale Strukturen und Feminismus sind heiße Themen in jeder Gesellschaft – immer noch.
Könnte das Stück etwas bewirken?
Zacek: Bestimmt. Je nachdem wer zusieht und wer in welcher Lebensphase und Lebensrealität steckt – und wie offen diejenige und derjenige ist –, kann sich jede und jeder etwas mitnehmen, sich berühren lassen, Gedanken wirken lassen. Wie es bei gut erzählten Geschichten eben ist, erkenne ich vielfältige Perspektiven und Möglichkeiten des Handelns und Lebens und ziehe selbst meine Schlüsse daraus.
„Ich stehe als Schauspielerin
immer auf der Seite meiner Figuren.“
Marion Fuhs
Frau Fuhs, können Sie den inneren Konflikt Zarinas persönlich nachvollziehen? Stehen Sie als Schauspielerin auf der Seite der Figur?
Marion Fuhs: Ich stehe als Schauspielerin immer auf der Seite meiner Figuren. Durch den Probenprozess und die tiefe Auseinandersetzung mit den Gedankengängen der Figur kommt fast automatisch ein Verständnis ihrer Handlungsweise. Es ist nicht unüblich, dass man auf den Proben aus seiner Figur heraus argumentiert, wenn es um verschiedene Sichtweisen geht – und sie verteidigt, wenn gefragt wird, warum sie so handelt wie sie handelt. Zarinas inneren Konflikt kann ich dadurch natürlich nachvollziehen. Sie will alteingesessene Strukturen und Traditionen hinterfragen und hat diesen unbändigen Drang, dies auch öffentlich zu machen. Ich glaube, jeder kennt die Schwierigkeit, dem nachzugehen, wenn man weiß, dass das Umfeld sicher anderer Meinung ist.
Was ist der Reiz, aber auch die Herausforderung bei der Verkörperung der Zarina?
Fuhs: Was ich sehr an der Figur der Zarina schätze ist, dass sie eine sehr starke Frauenfigur mit vielen Facetten ist. Sie hat eine Meinung, ist schlagfertig, verletzlich, klug und wahnsinnig mutig. Dies ist natürlich unheimlich reizvoll, aber eben auch genau die Herausforderung. Das Ausloten der Emotionen, die Höhen und Tiefen, die Abgründe und Lichtblicke, all das auszuprobieren und darzustellen ist so großartig wie anspruchsvoll.
Gibt es Stellen im Stück, an denen Sie am liebsten anders handeln bzw. sprechen würden?
Fuhs: Als Schauspielerin sitze ich wie gesagt zwischen den Stühlen. Ich kenne das Stück, die Wendungen, die Beweggründe der Figuren, und es wäre schnell gesagt „Das hätte ich anders gemacht“. Denn nachher ist man immer schlauer. In emotionalen Situationen, in denen nicht mehr rational gedacht werden kann – und von denen gibt es viele in dem Stück –, kann man vielleicht nicht immer so handeln, wie man gerne wollte. Aber ich hätte an Zarinas Stelle vielleicht früher die wirkliche Diskussion oder ein behutsames Gespräch mit der Familie angestoßen. Obwohl ich nicht weiß, ob der Ausgang des Stückes dann ein anderer wäre.
Text: Martin Lugger
Fotos: Birgit Gufler