POSITIVE BILANZ FÜR VIELE WEITERE SCHÖNE THEATERMOMENTE
Der Redaktionsschluss des Spielzeithefts markiert die Hälfte der ersten Spielzeit unter dem neuen künstlerischen Leitungsteam am Tiroler Landestheater. Zeit für einen Rückblick, eine Bestandsaufnahme und einige Einblicke in die Highlights der zweiten Spielzeit 24/25. Die Geschäftsführende Intendantin Irene Girkinger und der Geschäftsführende Kaufmännische Direktor Dr. Markus Lutz haben sich gegenseitig befragt:
Dr. Markus Lutz: Welcher Erfolg der ersten Spielzeit hat dich und die neuen Spartendirektor:innen am meisten gefreut?
Irene Girkinger Dass das Programm insgesamt so gut vom Publikum angenommen worden ist. Wir waren vor den ersten Premieren der jeweiligen Sparte doch sehr nervös, zumal sich die neuen Direktor:innen als Regisseurinnen und als Choreograf auch mit ihrer künstlerischen Handschrift in Innsbruck vorgestellt haben. Auf der ersten Tanzpremiere lag ein besonderer Druck. Wir freuen uns sehr, dass Die vier Jahreszeiten so ein schöner Erfolg war. Ich bin stolz, dass wir so viele unterschiedliche Produktionen zeigen, welche die Formenvielfalt von Theater und die unterschiedlichen kreativen Zugänge, Geschichten zu erzählen, widerspiegeln. Ich bin sehr gerne hier und freue mich auf viele weitere schöne Theatermomente!
Irene Girkinger: Nach einer Saison unter der neuen künstlerischen Leitung: Was waren die wesentlichen Herausforderungen?
Markus Lutz Erwartungsgemäß gibt es zu Beginn einer neuen Intendanz immer einen kleinen Einbruch bei den Abonnent:innen zu verbuchen. Man kann jedoch feststellen, dass das Tiroler Publikum das neue Programm gut angenommen hat und wir durchaus positiv bilanzieren können. Mich persönlich freut es sehr, dass wir auch junge und neue Zielgruppen mit diversen Produktionen angesprochen haben und ins Theater locken konnten. Dies lässt mich zuversichtlich in die neue Saison 24/25 blicken. Ein Wechsel der Intendanz ist immer eine große Herausforderung für ein Theater. Neben Erneuerung und Aufbruchsstimmung gibt es auch viele schwierige Aufgaben und Hürden zu meistern. Unsere erste gemeinsame Saison diente daher auch dem gemeinsamen Aneinander-Gewöhnen, dem Ausprobieren und Nachjustieren, um mittelfristig ein gesundes Verhältnis von künstlerischer Programmatik, Wirtschaftlichkeit und personeller Machbarkeit zu erreichen. Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und zahlreiche weitere Faktoren wie die immer noch einhergehende Teuerung machen unsere Arbeit auch wirtschaftlich zu einer Herausforderung. Dass wir als Kulturbetrieb aktuell so gut dastehen, ist neben einer nachhaltigen Unternehmensführung nicht zuletzt auch unseren Gesellschaftern, aber insbesondere allen Mitarbeiter:innen zu verdanken.
Markus Lutz: Wie entwickelt ihr euer künstlerisches Konzept in der kommenden Spielzeit weiter?
Irene Girkinger Wir versuchen, gewisse inhaltliche Pfeiler im Spielplan weiter zu festigen: Es gibt ein besonderes Augenmerk auf die Zeitgenossenschaft – wir starten im Schauspiel mit zwei Uraufführungen österreichischer Autorinnen, die auch von zwei renommierten Regisseurinnen inszeniert werden. Wir haben in einigen Projekten starken Tirolbezug und in anderen internationale Verbindungen, wir präsentieren wieder einige spartenübergreifende Produktionen. Im Musiktheater laden wir ein, große Werken von Verdi, Strauss und Mozart wiederzuentdecken und setzen unsere Reise durch das slawische Repertoire fort, auch im Tanz mit Romeo und Julia von Prokofjew. Im Jungen Theater widmen wir uns unter anderem mit dem Kinderbuchklassiker von Erich Kästner Die Konferenz der Tiere dem wichtigen Thema des Klimawandels und präsentieren mit Brundibár erstmals eine Kinderchoroper. Eine abwechslungsreiche Spielzeit steht bevor!
Irene Girkinger: Gibt es für dich persönliche Highlights im Spielplan der kommenden Saison?
Markus Lutz Ich persönlich freue mich immer ganz besonders auf die ersten Premieren im Herbst, wenn das Theater- und Konzertleben nach der Sommerpause wieder so richtig an Fahrt aufnimmt. Der Herbst ist für uns Theatermenschen zwar immer die arbeitsintensivste Zeit, jedoch sind gut gefüllte Spielstätten, großes Medieninteresse am Beginn der Spielzeit sowie interessante Begegnungen bei den Vorstellungen selbst für uns immer eine anerkennende Wertschätzung unserer Arbeit. Wir sind sehr dankbar, dass uns zahlreiche Besucher:innen ihre besondere Verbundenheit über viele Jahre zeigen. Ich lade Sie alle ein, unser Angebot auch weiterhin mit Ihrem Interesse, mit Ihrer Treue und Begeisterungsfähigkeit in Anspruch zu nehmen.
Bereit für die Spielzeit (v. l. n. r.): Uschi Oberleiter (Co-Direktorin Junges Theater), Marcel Leemann (Co-Direktor Tanz), Laura Nöbauer (Co-Direktorin Junges Theater), Bettina Bruinier, Elisabeth Schack (Co-Direktorinnen Schauspiel), Dr. Markus Lutz (Geschäftsführender Kaufmännischer Direktor), Wolfgang Laubichler (Direktor Haus der Musik Innsbruck), Irene Girkinger (Geschäftsführende Intendantin), Jasmina Hadžiahmetović (Co-Direktorin Musiktheater), Alexander Egger (Technischer Direktor), Katharina Duda (Co-Direktorin Musiktheater) und Stefan Späti (Co-Direktor Tanz).
LIEBLINGSMOMENTE UND PERSPEKTIVEN
Auch die Spartenleitungen des TLT, der Direktor des HDM, die Orchestermanagerin des TSOI sowie der Technische Direktor haben sich über bisherige Erfahrungen und kommende Highlights unterhalten:
Katharina Duda: Was sind deine persönlichen Highlights im Spielplan 24/25?
Jasmina Hadžiahmetović Zwischen Produktionen zu wählen, ist ein bisschen, wie zwischen seinen Kindern zu wählen: unmöglich! Das hieße ja, dass man eine andere Produktion weniger mag. Natürlich freue ich mich, beim Rosenkavalier und dem Doppelabend Pagliacci/Von heute auf morgen als Regisseurin wieder mit unserem Ensemble arbeiten zu können – abgesehen davon, dass es tolle Stücke sind. Für Eugen Onegin in der Regie von Eva-Maria Höckmayr und La Clemenza di Tito mit Mirella Weingarten haben wir wieder zwei großartige, international tätige Regisseurinnen am Haus. Und auch die Tanzproduktion Romeo und Julia mit unserem wunderbaren Orchester wird sicher ein Highlight.
Jasmina Hadžiahmetović: Viele Inszenierungen der Spielzeit 23/24 waren bisher auffällig farbenfroh ausgestattet. Was ist die Idee dahinter?
Katharina Duda Gut möglich, dass momentan in vielen Theatern eine gewisse Buntheit herrscht, die man gegen die ansonsten eher düsteren Themen setzt, die heute auf der Bühne und im Leben an uns herantreten. In jedem Fall ist so ein Stil nicht am Reißbrett für eine ganze Saison entworfen. In der Arbeit mit den Teams schauen wir jedes Stück einzeln sehr intensiv an und machen dafür ein individuelles Konzept.
Elisabeth Schack: Welche Fragen beschäftigten dich angesichts der zahlreichen jüngeren Konflikte in dieser Welt besonders?
Bettina Bruinier Das Theater ist kein tagesaktuelles, aber ein gegenwärtiges und verbindendes Medium. Geschichten und Texte gemeinsam zu erleben, und im Erleben und Denken auf der Bühne und im Zuschauerraum neue Ideen, Gedanken und Perspektiven zu kreieren, ist zentral für unsere Arbeit. Uns beschäftigt natürlich sehr, mit welchen Stoffen uns das gelingen kann, welche Stimmen gehört werden müssen und was das für die Zusammensetzung der künstlerischen Teams – auch sparten- und genreübergreifend bedeutet. Darüber sprechen wir viel.
Bettina Bruinier: In der ersten Spielzeit gab es mehrere Möglichkeiten für nicht-professionelle Darstellende, auf der Bühne mitzuwirken. Wird es das 24/25 wieder geben?
Elisabeth Schack Ja, wir werden definitiv versuchen, in einem Projekt den für die Odyssee entstandenen Bürger:innen-Chor wieder einzubinden. Außerdem starten wir diese Saison mit einem ganz speziellen Projekt: Die Tirol Edition von The Future of Folkart. Ein interaktives, partizipatives und immersives Community-Projekt des österreichischen Choreografen und Tänzers Simon Mayer, für das wir verstärkt mit Volkstanz- und Musikvereinen vor Ort arbeiten werden.
Stefan Späti: In der Spielzeit 23/24 waren lokale Künstler:innen wie Katharina Cibulka oder NENDA eingeladen, Stücke mitzugestalten. Wie sieht das in der zweiten Spielzeit aus?
Marcel Leemann Die Zusammenarbeit mit NENDA und Thomas Krug für Safe Ground war sehr bereichernd und hat uns gezeigt, dass solche Kollaborationen sowohl für das Publikum als auch für unser Ensemble und uns selbst ein großer Gewinn sind. Für die Tanzproduktion Beben konnten wir den jungen Sänger und Newcomer Oskar Haag gewinnen.
Marcel Leemann: Gibt die Tanzsparte in der Spielzeit 24/25 Stücke in Auftrag?
Stefan Späti In der Tanzsparte wird es drei Neukreationen von Gastchoreograf:innen geben, die explizit für unser Tanzensemble geschaffen werden: The Room von Caroline Finn in den Kammerspielen und zwei der drei Kurzstücke in der Produktion Rausch von Francesca Frassinelli und Julian Nicosia.
Laura Nöbauer: Was waren Überraschungen oder Schreckensmomente auf der Bühne in der Spielzeit 23/24?
Uschi Oberleiter Kein Schreckensmoment, ein Lieblingsmoment, immer wieder: Die letzten Minuten, wenn das NEINhorn aufspringt, laut ein rockiges Luftgitarrenmedley beginnt und die Kinder im Saal aufspringen und mitmachen. Ein bisschen kindliche Anarchie, das mag ich sehr.
Uschi Oberleiter: Innsbruck hat eine breite, vielfältige Kulturszene. Wo fühlst du dich abseits des Tiroler Landestheaters wohl?
Laura Nöbauer Da gibt es so viel zum Wohlfühlen, eine tolle Off- Theater-Szene, Festivals für zeitgenössische Kunst, für Film, für Literatur, für Zirkuskunst, Musikfestivals wie das Heart of Noise, interessante Lesereihen … mehr Angebot als Zeit!
Isabel Biederleitner: Die Konzertreihen im Haus der Musik Innsbruck werden zunehmend gut angenommen. Wie aufgeschlossen ist das Publikum gegenüber ausgesuchten Besonderheiten der Musikgeschichte?
Wolfgang Laubichler Die Konzertszene in Innsbruck hat schon seit vielen Jahren spannende Projekte von der Alten bis hin zur Neuen Musik auf die Bühne gebracht. Es gibt hier also ein interessiertes Publikum, das für Neues und Ungewöhnliches offen ist. Ich bin dankbar dafür, denn gerade als Veranstalter mit den unterschiedlichen Kooperationspartnern im Haus bin ich immer auf der Suche nach passenden Projekten, die jenseits des üblichen Konzertrepertoires angesiedelt sind.
Alexander Egger: Was sind deine persönlichen Highlights im Programm des HDM 24/25?
Wolfgang Laubichler Johann Sebastian Bachs Musik ist selbst in der Alten-Musik-Szene Innsbrucks und Tirols unterrepräsentiert. In zahlreichen Konzerten unserer Reihen beschäftigen wir uns mit dem Bach’schen OEuvre sowohl in Bearbeitungen als auch im Original. Ein besonderes Projekt wird wohl ein jazziger Abend mit einem neuen Werk Wolfgang Mitterers, in dem er sich auf Bach bezieht (Temperiertes und Variationen in Gedanken an J. S. Bach) und das er in unserem Auftrag für das HDM Contemporary Jazz Orchestra schreibt – mit ihm selbst am Klavier improvisierend.
Isabel Biederleitner: Gibt es eine:n Schutzheilige:n der Bühnenarbeiter:innen? Wenn ja, macht sie oder er einen guten Job?
Alexander Egger Es gibt den Heiligen Veit als Schutzpatron der Schauspieler:innen und Tänzer:innen, der schaut bestimmt auch auf alle, die auf bzw. rund um die Bühnen arbeiten. Wir haben in der Unterbühne eine Heiligenstatue, sie ist für uns die Schutzheilige der Unterbühne. Sie leistet einen sehr guten Job, da die Bühne doch ein gefährlicher Arbeitsplatz ist und Gott sei Dank nur sehr selten Unfälle passieren.
Wolfgang Laubichler: Das Tiroler Landestheater setzt sich explizit für Nachhaltigkeit ein. Ein paar Worte dazu?
Alexander Egger Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema, das uns alle betrifft. Es geht darum, unsere Umwelt und Ressourcen zu schützen und zu erhalten, damit auch zukünftige Generationen eine lebenswerte Welt vorfinden. Dazu müssen wir unsere Komfortzonen verlassen und alle unserer Verpflichtung nachkommen. Nur abzuwarten, bis andere damit anfangen, ist zu wenig. Wir durchleuchten all unsere Arbeitsprozesse und –bereiche hinsichtlich dieser Fragestellungen.
Wolfgang Laubichler: Auf welche Gäste freust du dich im Konzertprogramm 24/25 besonders?
Isabel Biederleitner Auf alle natürlich! Jedes der Symphoniekonzerte ist so einzigartig besetzt, dass wir niemanden missen wollen. Von Grand Seigneur Dennis Russell Davies über die Newcomerin Glass Marcano, den Spezialisten Olari Elts oder den heimlichen «Wahltiroler» Kevin John Edusei: Sie alle geben mit dem Programm ihre ganz persönliche Handschrift preis, auf die wir uns freuen dürfen. Ein besonderer Moment für das TSOI und die Geigerin selbst wird fürwahr das Solokonzert mit Konzertmeisterin Annedore Oberborbeck. Hinzu kommen Solisten, die ein Erlebnis für sich sind: Willkommen Isao Nakamura am Beginn und Andreas Martin Hofmeir am Ende der Konzertsaison!
Alexander Egger: Innsbruck für Anfänger: innen: Was hättest du nicht erwartet, was hat dich überrascht?
Isabel Biederleitner Nicht erwartet habe ich, wie angenehm fußläufig in Innsbruck die für uns zentralen Plätze liegen. Überrascht hat mich, dass man durch unsere Häuser vom vierten in den dritten Stock auf einer Ebene spazieren kann und dass das «Du» kein Klischee ist, sondern einfach herrlich gelebt wird. Erhofft und erwartet, aber in der Stärke überrascht hat mich schließlich, mit welcher Vehemenz das TSOI als Kollektiv für künstlerische Exzellenz einsteht. Besser geht’s nicht!