Stifter unter Strom: Philipp Hochmair elektrisiert mit «Der Hagestolz»

9.9.2025 / blog
Fritz Rainer, Philipp Hochmair, Hanns Clasen © Stephan Brückler Fritz Rainer, Philipp Hochmair, Hanns Clasen

Was passiert, wenn ein Schauspieler mit Rockstar-Attitüde auf einen Klassiker der Biedermeierzeit trifft? Wenn Beats auf Bildungsbürgertum prallen und Adalbert Stifter plötzlich klingt wie ein Soundtrack für die Gegenwart? Dann entsteht etwas wie Philipp Hochmairs Der Hagestolz – ein Projekt, das Literatur, Musik und Performance zu einem sinnlichen Gesamterlebnis verschmelzen lässt.

Anlässlich seines 50. Geburtstags hat sich Hochmair selbst ein Geschenk gemacht: eine radikale Neuinterpretation von Stifters 1844 erschienener Novelle. Gemeinsam mit seiner Band Die Elektrohand Gottes verwandelt er die Geschichte des jungen Victor und seines einsamen Onkels in ein elektrisierendes Bühnenstück – irgendwo zwischen Lesung, Konzert und Theatertrip.

«Ich wollte diesen Text aus dem Biedermeier ins Heute holen»

Das gelingt Hochmair mit Verve. Die Sprache bleibt Stifter, aber der Sound ist Jetztzeit: elektronische Klanglandschaften, Live-Looping, Gitarren, Percussion. Die Musik pulsiert, treibt, trägt – und macht die inneren Konflikte der Figuren körperlich spürbar.

Im Zentrum steht die Begegnung zweier Männer: der eine jung, neugierig, voller Fragen; der andere alt, verbittert, voller Reue. Es geht um Lebensentscheidungen, um verpasste Chancen, um die Frage: Wie wollen wir leben? Hochmair nennt es ein «elementares Zwiegespräch zwischen zwei Generationen». Und genau das macht es so aktuell.

Wer Hochmairs Jedermann reloaded oder den Schiller-Balladen-Rave kennt, weiß: Hier wird nicht vorgelesen, hier wird gelebt. Der Hagestolz ist kein Museum, sondern ein Experiment und eine Einladung, Literatur neu zu entdecken. Für alle, die sich nach Tiefe sehnen, ohne auf Tempo zu verzichten.

Wer Stifter noch nie mochte, wird ihn hier lieben lernen. Und wer ihn schon liebt, wird ihn neu hören.


TEXT Wolfgang Laubichler
BILD Stephan Brückler