Inhalt
Ein Mann, der von einer Frau so fasziniert ist, dass er die Welt um sich herum vergisst. Eine Frau, die mit dem Feuer spielt und der die Konsequenzen ihres Tuns egal sind. Eine andere Frau, die auf einmal ein großes Maß an Verantwortung übernehmen, das Persönliche hintanstellen und ganz staatstragend werden muss. Aus diesen Elementen hat Franz Grillparzer (dessen 150. Todestag ansteht) ein packendes Schauspiel geschrieben, das an ein historisches Ereignis anknüpft.
Spanien im 12. Jahrhundert. Die arabischen Mauren versuchen Stück für Stück, Spanien zu erobern, König Alphons hält mit seinen Truppen dagegen, die Bevölkerung bangt um ihr Leben. Völlig unbeeindruckt von den Unruhen ist Rahel, die titelgebende Jüdin von Toledo – eine junge, starke Frau, vergleichbar mit Shakespeares „widerspenstiger“ Katharina oder Wedekinds Lulu. Sie dringt voller Übermut in die königlichen Gärten ein und überrascht das Königspaar. Der König ist fasziniert von dieser unerschrockenen Person: Sie ist wild, fremd und so ganz ohne jede Konvention. Gegen alle Vernunft vernachlässigt er in Folge seine Staatsgeschäfte, wird „Mensch“. Da der Angriff der Mauren kurz bevorsteht, drängt der Hofstaat die Königin, aktiv zu werden. Und so wird beschlossen, dass Rahel sterben muss – damit der König wieder „Staatskörper“ wird.
Die Inszenierung dieses ungewöhnlichen Klassikers übernimmt Rudolf Frey, der bereits zusammen mit Vincent Mesnaritsch und Elke Gattinger Molières Der Menschenfeind und Schillers Kabale und Liebe auf die Bühne im Großen Haus brachte. Seine Inszenierung der Jüdin von Toledo setzt die Geschichte in einen abstrakten Raum und verwebt kunstvoll Text, Bewegung und Musik. In der Umsetzung des Stoffes wendet er dabei einen besonderen Kniff an: die Rolle von Rahel, der Jüdin von Toledo, ist mit einem männlichen Darsteller besetzt. Rudolf Frey sagt dazu: „Grillparzer hat eine für seine Zeit radikale Figur geschaffen. Man könnte sie auch als Vorläuferin von Wedekinds Lulu ansehen. Rahel ist impuls- und triebgesteuert, völlig selbstbestimmt, sexuell befreit – aber auch exzentrisch, egoistisch und unberechenbar. Eine gefährliche Mischung – eine Urkraft, die im Kontext des Figurenkosmos wie aus einer anderen Welt erscheint. Wie aber können wir heute das Gefährliche, Irritierende, Provokante der Figur auf der Bühne verdeutlichen? Deshalb haben wir uns entschieden, die Rolle mit einem Schauspieler zu besetzen, damit unsere Rahel: weder weiblich noch männlich ist; eine Person, die keinen Platz in unserer Gesellschaft hat und um ihre Repräsentation kämpfen muss; ein Mensch, der mit seinem Selbstbehauptungswillen sein Umfeld herausfordert – und daher, für uns Zuschauende, im besten Sinne einen Denkanstoß bedeutet.“
Seit ich sie sah, empfand ich, dass ich lebte.
KÖNIG ALPHONS
Termine
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Besetzung
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Alphons der Gute (VIII.), König von Kastilien
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Eleonore von England, dessen Gemahlin
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Der Prinz, beider Sohn
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Manrike, Graf von Lara
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Don Garceran, dessen Sohn
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Isak, der Jude
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Esther, dessen Tochter
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Rahel, dessen Tochter
Pressestimmen
Krone
Die Premiere von Die Jüdin von Toledo, ein Trauerspiel von Franz Grillparzer, bot im Großen Haus des Tiroler Landestheaters viel Atmosphäre, elektronisch-dunkle Popmusik und vor allem eine männlich besetzte Frauenrolle. Damit begab sich Regisseur Rudolf Frey selbstbewusst auf „LGBTQ“-freundliches Terrain.
Jan-Hinnerk Arnke als Isak und Kristoffer Nowak als König Alphons der Gute stachen dabei, natürlich neben Florian Granzner, der meist den Bühnenmittelpunkt bildete und als männlich-feminine Rahel dem König den Kopf verdrehte, besonders heraus. […] Wie Rahel den König umgarnte, wie „sie“ tänzelnd-impulsiv und neckisch über die Bühne schwebte, wie „sie“ Mut zum Ausdruck jenseits klassischer Mann-Frau-Dichotomie zeigte, blieb in Erinnerung.
Tiroler Tageszeitung
Diese Jüdin ist ein Ensemblestück im eigentlichen Sinn, eine solide einstudierte Teamarbeit. Jede(r) Sprechende fungiert als pars pro toto, als Teil eines größeren Ganzen. Niemand spielt sich in den Vordergrund. […] Den Soundtrack liefert Rockstar Patti Smith mit „Because the night (… belongs to lovers)“: Die Nacht gehört den Liebenden. In einer Ménage-à-trois versinken Rahel, Herr König und Garceran lustvoll im Schutz der Nacht, ahnend, dass das Erwachen böse sein wird. Aus dem starren Korsett von Pflicht und Pflichterfüllung gibt es kein Entrinnen, für keinen der drei.
Fazit: Ein Theaterabend mit Anspruch. Ein Klassiker wird in die Moderne geholt, ohne ihn zu entstellen.