Inhalt
In der Sowjetunion mit einem Aufführungsverbot belegt, erlebte Mieczysław Weinbergs 1968 fertiggestellte Oper Die Passagierin erst 42 Jahre später ihre viel beachtete szenische Uraufführung bei den Bregenzer Festspielen. Auf Basis des gleichnamigen Romans von Zofia Posmysz, die selbst als junge Polin in den Vernichtungslagern Auschwitz und Ravensbrück interniert war, schuf der Komponist ein eindrückliches Bekenntnis gegen das Vergessen.
Fünfzehn Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs kommt es auf einem Ozeandampfer zu einer Begegnung zwischen der früheren KZ-Aufseherin Lisa und der ehemals internierten Martha. Lisa sieht sich mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, gerät in Panik und muss sich nun mit ihrer Schuld auseinandersetzen. In Rückblenden wechseln die Schauplätze zwischen Schiff und Konzentrationslager. Es entwickelt sich ein beklemmendes Szenario, das immer wieder um die Themen Verdrängung und Verantwortung kreist.
Weinbergs Musik vereint Elemente der Zwölftonmusik und der Volksmusik, arbeitet gekonnt mit Zitaten und orientiert sich an der Klangsprache seines Freundes und Mentors Dmitri Schostakowitsch. Die Verwendung polnischer, deutscher, französischer und jiddischer Sprache verleiht dem Werk eine bewegende Authentizität.
Die Passagierin ist zum ersten Mal am Tiroler Landestheater zu sehen.
Und ewig bleibt der Schmerz.
Chor
Durch Klicken auf den Play-Button bzw. Audioplayer wird das Laden von externen Medien erlaubt.
Mehr dazu in den Cookie Informationen.
Besetzung
-
LISA
-
WALTER
-
MARTA
-
TADEUSZ
-
KATJA
-
KRYSTINA
-
VLASTA
-
HANNAH
-
YVETTE
-
ALTER
-
BRONKA
-
ERSTER SS-MANN
-
ZWEITER SS-MANN
-
DRITTER SS-MANN
-
OBERAUFSEHERIN
-
KAPO
-
ÄLTERER PASAGIER
-
STEWARD
Chor und Extrachor des TLT
Statisterie des Tiroler Landestheaters
Pressestimmen
Münchner Merkur
Reitmeier und sein Team brauchen keine grellen Schockeffekte, sondern bauen vor allem auf subtile Personenführung, die keine anonyme Masse darstellt, sondern die Schicksale der Internierten individuell herausarbeitet. […]
Kein leichter Abend. Aber einer, der es wert ist! Das war am Ende sowohl bei den erschöpften Gesichtern auf der Bühne, als auch beim bewegten Publikum zu merken, wo das Erlebte erst kurz sacken musste, ehe der Applaus umso heftiger losbrach.
Tiroler Tageszeitung
Mit dramatischer Wucht oder auch hauchender Intensität, jeder Ton, jede Harmonie sorgt für Gänsehautmomente und führt einen tiefer hinein in den Strudel, hinein in die Todesmaschine Auschwitz. […]
Nadja Stefanoff verfügt über eine musikalische Ausdruckskraft und Stimme, die einen in ihren Bann zieht. Zugleich fand sie in Jennifer Maines eine kongeniale Partnerin bzw. in diesem Fall Gegnerin, die ihr auch sängerisch und schauspielerisch in nichts nachsteht. Es war aber auch der Abend einer großen Ensembleleistung. […]
Die Premiere dürfte sich in die Sternstunden des Hauses einreihen. Zugleich ist das Stück immens wichtig: Denn wir dürfen nie vergessen.
Krone
Die Inszenierung von Landestheater-Hausherr Johannes Reitmeier ist in ihrer Konzentration, ihrer Beschränkung auf das Wesentliche außerordentlich gelungen. Wesentlichen Anteil am Erfolg der Produktion hat das Bühnenbild von Thomas Dörfler. Schiffskabinen werden zu Pritschen einer Lagerbaracke, der so wesentliche Wechsel zwischen Gegenwart und Rückblende gelingt dank der Flexibilität dieser Bühne überzeugend. […]
Ungeheuer eindringlich und intensiv ist auch die Charakterzeichnung der Lisa durch die phänomenal wandlungsfähige Jennifer Maines, die dieser nicht sympathischen Frauengestalt in ihrer Komplexität voll und ganz gerecht wird. Als selbstbewusste, ihre Menschlichkeit bewahrende Marta ist ihr Nadja Stefanoff eine ebenbürtige Protagonistin, Roman Payer zeigt Walter als Zerrissenen zwischen Karrieredenken und Moral. Alec Avedissian glänzt als Tadeusz mit differenziertem Spiel und Edelstimme, Susanne Langbein sorgt mit einem russischen Volkslied für einen lyrischen Glanzpunkt in einer ansonsten düster dramatischen Oper. Die weiteren Rollen sind allesamt sehr gut besetzt und zeugen vom hohen sängerischen Niveau am Tiroler Landestheater. Großes Lob gebührt dem exzellenten Chor, der wie in der griechischen Tragödie auktorial behandelt ist. Dem Symphonieorchester unter Leitung von Tommaso Turchetta ist zu einer wirklich hervorragenden Leistung zu gratulieren.
Schoepfblog.at
Lisa fällt in der packenden Inszenierung von Johannes Reitmeier, dem Intendanten des Tiroler Landestheaters, letztlich förmlich aus der Gegenwart heraus und verfängt sich in quälenden Erinnerungen. […]
Jennifer Maines sang die Partie der Lisa, die zwischen Schuldgefühlen, Selbstzweifeln und Brutalität pendelt, mit extremer Ausdruckskraft und Leichtigkeit in der Höhe, Nadja Stefanoff als ihre Gegenspielerin Marta, die sowohl im Mezzosopran als auch jugendlich-dramatischen Sopranfach zuhause ist, stand ihr um nichts nach. […]
Der Tenor Roman Payer berührte als Walter insbesondere in den unruhig aufblitzenden, emotionalen Passagen, wenn seine Rolle ganz schnöde um ihr berufliches Fortkommen fürchtet und für die Opfer im Todeslager keine Empathie aufbringt. Alec Avedissian verkörpert den starken Tadeusz mit größter Überzeugung, und auch die Darstellenden der Nebenrollen sorgen für intensive Momente, etwa die brillante Susanne Langbein als Lagerinsassin Katja, wenn sie a cappella ein Volkslied vorträgt, Abongile Fumba mit warmem Timbre, wenn sie ihr Heil in der Religion sucht, oder Irina Maltseva als Krystina und Annina Wachter als Yvette, die mit stimmlicher Höhe und schauspielerischem Können für Emotionalität sorgen.
Das große Ensemble der Sängerinnen und Sänger, wobei handlungsbedingt die Frauen überwiegen, hinterließ durchgehend einen famosen Eindruck. […]
Obwohl diese Oper fast drei Stunden dauert, fesselt sie bis zur letzten Minute, auch deshalb, weil die Handlung und die Musik stets „punktgenau“ sind, der rote Faden nie verlorengeht. […]
Die Musik ist der russischen Schule ihrer Zeit verpflichtet und Einflüsse von Schostakowitsch und Prokofjew sind unüberhörbar. Doch Weinberg war alles andere als ein Epigone und so wechseln „russische“ Orchesterklänge geschickt mit Zitaten und Verfremdungen von Jazz, Volkslied und Barock. Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter der vitalen Leitung von Tommaso Turchetta setzte die Orchesterpartitur blendend um.
Vorarlberger Nachrichten
Bei der szenischen Uraufführung in Bregenz stand der mittlerweile sehr bekannt gewordene Dirigent Teodor Currentzis am Pult der Wiener Symphoniker, Tommaso Turchetta hat mit dem Tiroler Symphonieorchester aufgrund der Räumlichkeiten leichte Adaptierungen vorgenommen und erreicht eine spannungsvolle Wiedergabe mit gut herausgearbeiteten Feinheiten.
Mit Nadja Stefanoff wurde für die Rolle der Gefangenen Marta jene Sopranistin engagiert, die bereits an der Oper Graz mit schöner Färbung der Stimme überzeugte. Jennifer Maines bewältigt die Partie der Lisa mit hoher Kompetenz, der Chor wirkt bestens ins akustische Gesamtbild integriert und die solistischen Auftritte der Mithäftlinge in ihren Herkunftssprachen werden zu jeweils berührenden Momenten.
Stadtblatt
Und auch wenn der scheidende Hausherr noch zwei Regiearbeiten vor sich hat, mit Mieczysław Weinbergs „Die Passagierin“ wird er sich mit seinem Leading Team und dem gesamten Ensemble dauerhaft in unsere Erinnerung einschreiben. […]
Großartig, wie Thomas Dörfler in Reitmeiers einfühlsamer Inszenierung KZ-Baracken und Ozeandampfer zu einer einzigen Holzskulptur verquickt. Atemberaubend die Ausdruckskraft von Nadja Stefanoff als Marta. Nicht minder berührend, wie Ensemble, Chor und Musiker*innen mit Dirigent Tommaso Turchetta im Werk geradezu aufzugehen scheinen.