Schnee - alles außer weiß

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Nein, unschuldiges Weiß kann es nicht sein, was sich beharrlich über die „saudumme Männergschicht“ legte. Nachdem Nicola Werdenigg sexuellen Missbrauch im ÖSV publik machte, wurde sie zur „Nestbeschmutzerin“ – ein Titel, den sich auch die Autorin Elfriede Jelinek oft genug anhören musste.

Kritische Geister sind selten. Umso mehr sticht heraus, wer sich traut, seine Meinung öffentlich kundzutun. Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek gilt nicht umsonst als äußerst wachsame Beobachterin der österreichischen Zu- und Umstände.

Mit SCHNEE WEISS (Die Erfindung der alten Leier) knüpft sie an Ein Sportstück aus dem Jahr 1998 an und verwebt die Enthüllungen der Skirennläuferin Nicola Werdenigg über sexuellen Missbrauch im österreichischen Skisport im Jahr 2017. Doch halt – musste sie nicht Ähnliches bereits berichten, und vor ihr andere? Es ist Die Erfindung der alten Leier.

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Möglichkeiten des Textes ausschöpfen

Die österreichische Erstaufführung von SCHNEE WEISS wurde in die Hände des Regisseurs Joachim Gottfried Goller gelegt. Er inszenierte am Tiroler Landestheater in der Spielzeit 2021.22 bereits die Uraufführung Grufttheater : Weissagung – eine Produktion, die viel Beachtung fand und sich über eine Nestroy-Nominierung freuen durfte. Was empfand er, als er für Jelineks SCHNEE WEISS angefragt wurde?

„Meine erste Empfindung war … Angst.“

Joachim Gottfried Goller, Regisseur

Es sei auch besonders spannend, diesen Text hier in Tirol realisieren zu dürfen, auch vor dem Hintergrund der derzeitigen medialen Berichterstattung – in Südtirol wird gerade Nicola Werdeniggs Geschichte unter dem Titel „Persona non grata“ verfilmt. In Tirol gab es keine Förderungen für das Projekt.

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Vielstimmiger Text

Regisseur wie Stück verlangen den Schauspieler*innen einiges ab. Denn nicht nur der viel diskutierte Inhalt, auch die Sprache und nicht zuletzt die Textlänge sind eine Herausforderung. „Wir sind sehr lange gemeinsam über den Texten gesessen, um sie durchzuarbeiten, denn auch wenn Elfriede Jelinek am Ende des Stückes viele Quellen auflistet – von Oskar Panizzas Liebeskonzil bis Friedrich Nietzsches Zur Genealogie der Moral – einfacher werden sie dadurch nicht. Aber je länger ich mich mit Jelineks Texten auseinandersetze, desto mehr brenne ich für sie! Was für eine Sprache! Was für eine Künstlerin!“, so Regisseur Joachim Gottfried Goller.

Bühnenbild wie Kostüme stammen von Julia Neuhold, einer langjährigen Mitarbeiterin in der Ausstattung des TLT. Mit ihr gemeinsam realisierte Goller bereits Grufttheater : Weissagung, und beide stellten fest: Die Inszenierungsweise passt hervorragend zur Bildsprache.

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„Wir sind bei der Erarbeitung des Stoffs bei der Künstlerin und Fotografin Cindy Sherman als Inspirationsquelle gelandet, ihre Arbeiten sind sehr poppig und zugänglich, aber auch kritisch“, fasst er zusammen. Das fließt auch in das Bühnenbild ein, das sich sehr plakativ dem Körper, der Körperlichkeit, widmet. Wenn man so will, ein auffallend leuchtender Gegensatz zur nüchternen Realität des Geschehens in SCHNEE WEISS.

Ergänzt wird das Regieteam bei SCHNEE WEISS dieses Mal von Imre Lichtenberger Bozoki, der als erfahrener Bühnenmusiker viel Experimentierfreudigkeit in die Produktion mitbringt.

Text: Patrizia Reppe-Pichler


SCHNEE WEISS
(Die Erfindung der alten Leier)

Schauspiel von Elfriede Jelinek

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