«Wir inspirieren uns gegenseitig»

   Blogbeitrag

Der Tanz-Doppelabend Stabat Mater & Les Noces stammt von unserem Gast Edward Clug. Als international renommierter und erfolgreicher Choreograf hat er mit zahlreichen Tanzcompagnien und an den größten Häusern gearbeitet. Die Tänzerin Jeanne Baudrier berichtet über den Probenprozess und ihre Eindrücke von der Bühne.

Jeanne, beschreib uns bitte deine Erfahrungen bei der Arbeit an diesen beiden Stücken.

Jeanne Baudrier Der Arbeitsprozess war sehr unterschiedlich. Mit der Einstudierung von Stabat Mater begannen wir bereits letzten Oktober. Pergolesis Musik ist für unsere Ohren einfacher zu verstehen, da sie strukturierter klingt. Die Arbeit an Les Noces begann erst Anfang Januar. Neben dem Erlernen der Choreografie mussten wir uns an Strawinskys Musikalität gewöhnen und unseren Weg finden, als Gruppe zu dieser komplizierten Musik synchron zu tanzen.

 

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Les Noces: Jeanne Baudrier

Neben der Musik ist aber auch die Atmosphäre der beiden Stücke jeweils sehr unterschiedlich. In Les Noces wird eine konkretere Geschichte erzählt, demzufolge konnten wir auch mehr mit den Charakteren spielen. In Stabat Mater gibt es eher Zustände und Emotionen als klare Charaktere: Konflikte, Zärtlichkeit oder Traurigkeit. Genügend Tiefe also, die es zu erkunden galt. Ich mag diesen Prozess: Erst lernen wir die Choreografie und dann tauchen wir tiefer in die darstellerische Umsetzung ein.

Für die solistischen Rollen in beiden Stücken sowie einige Duette in Stabat Mater haben wir zwei Besetzungen. Das ermöglicht es, die Kolleg:innen dabei zu beobachten, wie sie die Choreografie umsetzen und wie sie die Charaktere wahrnehmen. Das ist super inspirierend, denn die Stücke leben auch von der Interpretation der jeweiligen Tänzer:innen.

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Les Noces: Jeanne Baudrier, Franklin Jones da Silva Santos

Du verkörperst in «Les Noces» die Rolle der Braut, der im ländlichen Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine arrangierte Hochzeit bevorsteht – keine Situation, die mit unserem heutigen Leben im hiesigen Kulturkreis zu tun hat. Wie identifizierst du dich mit dieser Rolle?

Ich denke, die Choreografie hilft mir da sehr, weil sie die Figur entsprechend stilisiert. Auch auf die Kostüme und die Musik kann ich mich stützen.

«Manchmal ist es sogar einfacher,
in etwas einzutauchen, das ganz weit
weg von einem ist.»

Jeanne Baudrier, Tänzerin

Ich musste meine gewohnte Selbstständigkeit zugunsten einer gewissen zurückhaltenden Schüchternheit ablegen. Auf jeden Fall hatten mein «Bräutigam» Franklin und ich Spaß, daran zu arbeiten. In der letzten Woche vor der Premiere war dann auch der Choreograf Edward Clug – neben seinem Assistenten Gaj Žmavc – bei den Proben anwesend. Ihr Input hat uns auch bei der Interpretation nochmal sehr geholfen.

Was sind die Herausforderungen, zu live gespielter Musik zu tanzen?

Unser Dirigent Matthew Toogood ist super! Er reagierte auf unsere Wünsche, wenn wir etwas schneller oder langsamer wollten. Und er war für die Vorbereitung oft bei unseren Proben dabei. Diese Verlässlichkeit macht die Arbeit für uns leicht. Außerdem tragen uns das Orchester und die Sänger:innen durch die ganze Vorstellung, da sie mit uns auf der Bühne sind. Ein eindrücklicher Moment ist der Anfang von Stabat Mater, das in kompletter Stille beginnt, und dann erklingt plötzlich die Musik hinter uns. Das ist so schön – und bei Les Noces ist diese Verbindung sogar noch intensiver, wenn all diese Instrumente und Stimmen im Einsatz sind.

Dein schwierigster Moment und dein Lieblingsmoment auf der Bühne …?

Eine Herausforderung ist der Anfang des Abends, weil er extrem präzise und ruhig sein muss. Wir stehen langsam auf, gehen auf unsere Plätze, halten kurz inne, und dann geht es los. Die Synchronität der Bewegungen erfordert von der ganzen Gruppe eine hohe Konzentration. Aber wenn wir erst einmal reingekommen sind und die ersten paar Minuten hinter uns haben, dann ist es in Ordnung.

«Ich liebe das Ende von Les Noces – das letzte,
ruhige Duett. Wir sind nur zu zweit auf der Bühne und
die Musik wird ganz sanft.»

Jeanne Baudrier, Tänzerin

Es gibt jedoch noch viele andere Duette, Soli oder Gruppennummern, die ich gerne tanze. Außerdem genieße ich es, in kurzen Pausen von der Seitenbühne aus der Musik zu lauschen und einfach meinen Kolleg:innen zuzuschauen – z. B. dem Kampf in Stabat Mater oder dem Männertanz in Les Noces.

Wie fühlst du dich in dieser Gruppe? Wie würdest du die Stimmung im Ensemble beschreiben?

Ich finde, wir sind ein sehr diverses und vielseitiges Ensemble. Und es ist gut, dass wir so ein unterschiedliches Repertoire zeigen, denn so erhalten alle ihre Chancen, in denen sie die Gruppe tragen und tänzerische Inputs liefern können. Trotzdem sind wir auf der Bühne eine Einheit. Wir inspirieren uns gegenseitig, die Stimmung ist gut, und ich finde es sehr schön, dass sich alle jederzeit unterstützen.

TEXT Stefan Späti
BILDER Birgit Gufler

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STABAT MATER & LES NOCES

Tanzstücke von Edward Clug mit Musik von Giovanni Battista Pergolesi und Igor Strawinsky

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