Träumen, Scheitern, Weiterleben: Die Ausflüge des Herrn Brouček

Die Ausflüge des Herrn Brouček © Raphael Gutleben Florian Stern als Matěj Brouček

Leoš Janáčeks magisch-satirische Opernrarität Die Ausflüge des Herrn Brouček als Wiederentdeckung am Tiroler Landestheater

 

Ein überforderter Kleinbürger, der Prager Hausbesitzer Matěj Brouček, verbringt seine Tage am liebsten in der Kneipe Vikárka. Bier, Würstchen und Beschwerden über seine Mieter sind sein Lebensinhalt – bis ihn der Alkohol in eine andere Welt entführt. Er träumt sich fort und landet erst auf dem Mond und dann im Prag des 15. Jahrhunderts. Was bei Svatopluk Čech, dem Autor der Novellenvorlage, als Spott auf Spießbürgertum und politische Feigheit schon angelegt ist, verdichtet Leoš Janáček in Die Ausflüge des Herrn Brouček zu einem ungewöhnlichen Experiment: Eine Doppeloper, in der magische Phantasie und politische Satire aufeinanderprallen. 

Die Ausflüge des Herrn Brouček © Raphael Gutleben Cast & Ensemble

Erstmals ist dieses Werk des meisterhaften tschechischen Komponisten am Tiroler Landestheater zu erleben. Der Tenor Florian Stern, langjähriges Ensemblemitglied, übernimmt die Titelpartie in der Neuinszenierung der musikalisch wie dramaturgisch virtuosen Oper: «Janáček hat eine Musik geschaffen, die wie ein lebendiges Gespräch klingt – kantig, schillernd, voller Überraschungen und zugleich zutiefst berührend. Am meisten freue ich mich darauf, das Publikum mit auf Broučeks fantastische Reise zu nehmen. Es ist ein Stück, das zum Lachen, Staunen und Nachdenken einlädt.» Janáček verbindet die Realitätsebenen der Mondreise und des Ausflugs in die mittelalterlichen Kriegswirren, indem er Broučeks reale Umgebung und deren Figuren in verzerrter Gestalt in seinen Träumen wieder auftreten lässt. So findet Malinka, die Freundin eines seiner Mieter, die als Provokation mit dem betrunkenen Brouček flirtet, ihre Entsprechung in der Mondgöttin Etherea. Diese Rolle verkörpert Hazel Neighbour, seit dieser Spielzeit neu im Ensemble: «Das Aufregende ist, dass ich gleich drei Rollen spiele, die alle willensstarke Charaktere in einem sonst eher männlichen Umfeld sind: Die bodenständige Malinka auf der Erde, die ätherische Etherea und im 15. Jahrhundert Kunka, eine mutige Frau. Am allermeisten freue ich mich aber auf die Mondgöttin. Sie wird sogar fliegen können!»

«Brouček ist für mich ein wundervoller Spiegel des Menschlichen – ein Träumer, ein Eigenbrötler, ein Mann voll kleiner Ängste und großer Sehnsüchte. Er ist komisch und tragisch zugleich, und genau in diesem Widerspruch liegt sein Zauber.»

Die Ausflüge des Herrn Brouček © Raphael Gutleben Die Ausflüge des Herrn Brouček

«Janáček schafft eine ganz eigene Klangwelt und wechselt von einer musikalischen Idee zur nächsten. Dadurch ist das Werk reich an Motiven und Themen.»

Und auch Publikumsliebling Erwin Belakowitsch ist als Gastwirt Würfl Teil des Brouček-Ensembles: «Es ist meine sechste Produktion am Tiroler Landestheater, quer durch alle Genres: Oper, Operette und Musical. Für mich ist diese Abwechslung der größte Reiz meines Berufes. Der Brouček ist meine erste Oper von Janáček, daher freue ich mich besonders!» Gemeinsam mit den übrigen Solist:innen sowie dem Chor und dem Extrachor des TLT erzählen sie die Geschichte um Brouček, die so viel mehr ist als eine exzentrische Komödie. Denn Janáček will sein Publikum herausfordern, den «inneren Brouček» zu überwinden und Verantwortung zu übernehmen. Und nebenbei zielt er mit seinem Werk auf nichts Geringeres als einen Neuanfang der tschechischen Oper – kompromisslos, scharfzüngig und mit jener ungeheuren kompositorischen Verdichtung, die seine Musik bis heute einzigartig macht.

 

TEXT Diana Merkel
BILD Raphael Gutleben