Bewegte Poesie

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Täuschung und unerwiderte Liebe: In Edmond Rostands Cyrano de Bergerac führen die Selbstzweifel des Protagonisten zum tragischen Ende. Filip Veverka spricht über die Inszenierung des Klassikers als Tanzstück.

Cyrano ist mutig, witzig und wortgewandt. Er ist ein beeindruckender Kämpfer, Dichter und Musiker, aber auch ein Liebhaber der Schönheit – ein Idealist. Etwas, das dem Protagonisten zum Verhängnis wird: Aufgrund seiner großen Nase empfindet sich Cyrano als zu hässlich, um der schönen Roxane seine Liebe zu gestehen. Stattdessen hilft er ihrem Auserwählten Christian dabei, romantische Briefe an sie zu schreiben. Erst Jahre nachdem Christian im Krieg gefallen ist und Roxane sich in ein Kloster zurückgezogen hat, kann Cyrano seinen inneren Konflikt überwinden und ihr die Wahrheit offenbaren.

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© Birgit Gufler

Cyrano, neu interpretiert

Der tschechische Choreograf und Solotänzer Filip Veverka hat sich im Zuge seiner ersten abendfüllenden Produktion am Tiroler Landestheater für eine mediale Übersetzung des französischen Versdramas entschieden. Mithilfe von Tanz will er Cyrano de Bergerac neu interpretieren und die poetischen Rhythmen der Sprache tänzerisch wiederbeleben. Auf Dialog verzichtet der Choreograf dabei ganz gezielt: „Die Darstellerinnen und Darsteller sprechen, indem sie tanzen. Das ist für mich die einzige authentische Form des Balletts“, erklärt Veverka.

„Die Darstellerinnen und Darsteller sprechen,
indem sie tanzen. Das ist für mich die einzige
authentische Form des Balletts.“

Filip Veverka

Dabei sei es immer eine Herausforderung, Lyrik tänzerisch darzustellen: „Gerade Poesie lebt von sprachlicher Ästhetik, die man nie gänzlich im Ballett darstellen kann. Aber andere Aspekte, zum Beispiel Gefühle und Atmosphäre, können durch Tanz wunderschön hervorgehoben werden. Also mussten wir mit dem Stoff nur ein wenig spielen, um ihn auf das Medium Tanz übertragen zu können“, so der Choreograf.

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© Amir Kaufmann

Der Grundgeschichte sei er dennoch treu geblieben. Auch bei Veverka steht die Dreiecksbeziehung zwischen den Hauptfiguren im Mittelpunkt, ebenso wie die schweren Selbstzweifel Cyranos und die Frage nach dem Gegensatz zwischen innerer und äußerer Schönheit. „Wer die Geschichte von Cyrano kennt und meine Version sieht, wird inhaltlich keine wirklichen Abweichungen finden. Das war auch von Anfang an meine Intention. Denn jede Szene ist wichtig und bringt dem Publikum eine Figur oder die Entwicklung der Handlung näher“, fügt er hinzu.

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Musikalisch sei zunächst ein einheitlicher Stil geplant gewesen. Weil Veverka aber für jede Szene die passende Atmosphäre schaffen wollte, entschied er sich schlussendlich für Stücke verschiedener Komponisten, hauptsächlich Francis Poulenc, aber auch Gustav Mahler und Sergej Rachmaninow. „Mir war es dabei wichtig, ein möglichst ausgeglichenes Konzept anzustreben und bei der Musikauswahl sensibel vorzugehen“, ergänzt er. Letztendlich sei Cyrano de Bergerac eine Geschichte, die zu jeder Zeit spielen könne. Man wollte bei der Umsetzung nicht abstrakt, aber durchaus mit einer gewissen Stilisierung arbeiten.

Dieser Ansatz spiegelt sich auch bei Kostümen und Bühnenbild wider. Ausstatterin Andrea Kuprian erzählt, sie habe sich grundsätzlich am Barock orientiert – der Epoche, in der das Drama spielt. „Aber ich wollte das Ganze auch in die heutige Zeit übersetzen und habe bei den Kostümen zum Beispiel viel Leder verwendet“, sagt sie. Um die Hauptfiguren hervorzuheben, habe sie außerdem mit verschiedenen Farben gearbeitet. So trage Roxane häufiger helle Töne, beispielsweise in der Kriegsszene. „Hier wirkt sie in Weiß gekleidet wie eine Erscheinung auf dem Schlachtfeld“, erklärt Kuprian.

Im Gegensatz zu den Kostümen sei das Bühnenbild sehr minimalistisch gehalten. Schließlich müsse den Tänzerinnen und Tänzern genügend Raum zum Ausdruck gegeben werden. Die fünf Szenerien – im Theater, in der Bäckerei, vor Roxanas Haus, im Schützengraben und im Klostergarten – seien aber klar erkennbar und böten Platz für die Kampfszenen ebenso wie für die Komik und die großen romantischen Momente.

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© Amir Kaufmann

Filip Veverka wurde im tschechischen Brno geboren. Nach sieben Jahren als Solist am Nationaltheater Prag tanzte er unter anderem am Tulsa Ballett in Oklahoma, als Solist an der Deutschen Oper am Rhein sowie ebenfalls als Solist am Königlichen Ballett in Stockholm. Veverkas Interpretation des Petruchio in Crankos Der Widerspenstigen Zähmung brachte ihm den Thalia Award ein. Als Choreograf schuf Veverka ein Pas de deux zu Samuel Barbers Adagio for strings für die Ballettgala 10 años Enrique Gasa Valga. Mit Cyrano de Bergerac wird nun seine erste abendfüllende Choreografie für das Tiroler Landestheater zu sehen sein.

Zu seinen Anfängen als Choreograf sagt Filip Veverka: „Eines Tages bekam ich einen Anruf von einem Regisseur aus Pilsen, mit dem ich früher gemeinsam in Prag getanzt habe, und er fragte mich, ob ich ein Ballett für ihn choreografieren will. Ich hatte damals keine Erfahrung, aber ich sagte einfach zu. Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, wusste ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Aber dann habe ich alles Schritt für Schritt gemacht und bin so in die Arbeit hineingewachsen. Das war meine erste Chance, die ich ergriffen habe. So ist das im Leben. Man weiß nie, was passieren wird.“

Text: Natalie Hagleitner


Cyrano de Bergerac

Tanzstück von Filip Veverka. Nach der romantischen Komödie von Edmond Rostand.
Libretto von Filip Veverka und Miho Ogimoto.

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