Pressekonferenz zur Spielzeit 2022.23

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„Aufmachen sollen sie, die Theater, nicht zu! Nicht damit die Finsternis hineinkann, sondern damit das Licht endlich auch einmal hinaus darf.“ Mit diesem Spielzeitmotto, einem Zitat der österreichischen Schriftstellerin Elfriede Jelinek, geht das Tiroler Landestheater selbstbewusst in die Spielzeit 2022.23.

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Wie fundamental wichtig Kunst und Kultur und deren Freiheit ist zeigt sich gerade in diesen Zeiten. „Was wir deutlicher denn je spüren, ist die Bedeutung des Theaters als Austausch- und Reflektionsraum, als Ort, an dem die Realität kritisch hinterfragt, be- und verarbeitet werden kann“, betont Intendant Johannes Reitmeier, der in seine elfte und letzte Spielzeit in Innsbruck startet. „Im Hinblick auf die unfassbare Situation in der Ukraine ist ein Zusammenrücken spürbar, eine Sehnsucht, angesichts der Sprachlosigkeit in den Austausch, in Verbindung und gemeinsam in Aktion zu kommen.“ Kunst soll als Bindeglied fungieren – und das Tiroler Landestheater möchte auch in der Saison 2022.23 mit Theatererlebnis und Konzertvielfalt begeistern und inspirieren.

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Musiktheater

Große Opern und reizvolle Neuentdeckungen: So könnte, knapp formuliert, das Motto des Musiktheaters in der Saison 2022.23 lauten. Mit einer selten gespielten Oper und einer TLT-Premiere startet die facettenreiche Musiktheater-Spielzeit im Großen Haus – es ist ein Werk, über das Nikolaus Harnoncourt einmal gesagt hat: „Dieses Stück ist ein Kunstwerk, für das man auf die Barrikaden gehen muss“: Genoveva, Robert Schumanns einzige große Oper, ist – im Gegensatz zu seinen Liederzyklen und Sinfonien – weniger bekannt, bietet aber eine farbenreiche und hochdramatische Musik. Publikumsliebling Susanne Langbein übernimmt die Titelrolle, Lukas Beikircher steht am Pult. Es inszeniert Johannes Reitmeier.

Eine weitere Opernrarität, die noch nie in Innsbruck zu erleben war, ist Léo Delibes‘ Oper Lakmé, die ursprünglich schon für 2019.20 geplant war, coronabedingt aber erst 2022.23 gezeigt werden kann. Léo Delibes versetzt das Publikum in eine orientalische Klangwelt. Das Regiekonzept und die Kostüme von Hinrich Horstkotte sowie die Entwürfe des Bühnenbilds von Nicols Bovey versprechen einen optischen Hochgenuss.

Nach Le Nozze di Figaro und Don Giovanni kommt nun der dritte Klassiker des Da-Ponte-Zyklus auf die Bühne des TLT: Così fan tutte von Wolfgang Amadeus Mozart wird von Anette Leistenschneider in das Jetzt und Heute übersetzt unter dem Motto „Change the rules“.

2022.23 ist mit Last Paradise Lost – nach John Miltons epischem Gedicht Paradise Lost – auch wieder eine Rockoper im Großen Haus zu erleben.

Nach Everyman (2016.17) erzählen die Vanden Plas-Musiker Günter Werno, Andy Kuntz und Stephan Lill in der Regie von Urs Häberli die Vertreibung aus dem Paradies auf ihre Art. Die Co-Produktion mit dem Pfalztheater Kaiserslautern und dem Theater Münster verspricht bombastische Rockmusik und kraftvolle Bilder zwischen Himmel, Paradies und Hölle.

Thaddeus Strassberger, der 2021.22 am TLT Werther eindrucksvoll inszeniert hat, widmet sich in der kommenden Spielzeit Modest Mussorgskis Oper Boris Godunov, die erstmalig am Tiroler Landestheater gezeigt wird und die für Operndirektor Michael Nelle ein „heimliches Highlight“ der Saison sein wird. Das Publikum erwartet beeindruckende, kraftvolle Musik mit großen Chören und faszinierenden Szenen, Ivo Stanchev übernimmt die Titelpartie.

Mit La Traviata kommt eine der beliebtesten Opern von Guiseppe Verdi zurück an den Rennweg. Das Drama um eine Pariser Kurtisane nach dem Roman Die Kameliendame war 2006 zuletzt am TLT zu sehen und wird in der kommenden Saison von der Regisseurin Magdalena Weingut inszeniert, Kerem Hasan dirigiert.

Archaische und leidenschaftliche Musik erklingt zum Ende der Spielzeit. Johannes Reitmeiers letzte Regiearbeit als Intendant des Tiroler Landestheaters ist sein Wunsch-Werk zum Abschluss: Elektra von Richard Strauss unter der musikalischen Leitung von Lukas Beikircher. Zwei Wiederaufnahmen stehen 2022.23 ebenfalls auf dem Programm: Giacomo Puccinis Oper Tosca in der Regie von Thilo Reinhardt sowie Gregor Bloébs Inszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts Die Zauberflöte, die wegen eines Lockdowns im Herbst sowie verzögerten Bauarbeiten am Haus siebenmal ausfallen musste.

In den Kammerspielen kommt – inszeniert von Alexander Kratzer – Songs für a New World vom dreifachen Tony-Preisträger Jason Robert Brown zur Aufführung, eine Art theatralischer Liederzyklus mit poppiger Musik und großen Balladen.

Bergkristall von Adalbert Stifter wurde zwar bereits zweimal verfilmt, jedoch nie vertont; mit der Oper des Komponisten Michael F. P. Huber und dem Libretto des Schriftstellers und Dramatikers Alois Schöpf erleben die Kammerspiele in der kommenden Saison eine Tiroler Uraufführung, damit findet unsere Serie Opera Austria ihren Abschluss.

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Schauspiel

In der Sparte Schauspiel zieht sich ein besonderer roten Faden durch die Spielzeit 2022.23, kommen doch in den Kammerspielen ausschließlich Autorinnen zur Aufführung. Der Zeitraum der Entstehung der Stücke umfasst knapp 90 Jahre, der Bogen spannt sich dabei von der Komödie über Comic bis hin zum Volksstück, mit dem die Spielzeit auch beginnt:

Automatenbüfett von Anna Gmeyner – 1932 in Hamburg, Berlin und Zürich als Erfolg gefeiert, bereits ein Jahr später verboten und in Österreich erst 2004 aufgeführt.

Elfriede Jelinek nimmt in Schnee Weiss Skigötter und katholische Kirche gleichermaßen ins Visier und zeigt Moral und Doppelmoral hier wie dort auf. Das Stück wird erstmals in Österreich zu sehen sein, der junge Südtiroler Regisseur Joachim Gottfried Goller inszeniert nach Grufttheater : Weissagung zum zweiten Mal am TLT.

Susi Weber nimmt sich Coline Serreaus Komödie Hase Hase vor, eine sozialkritische, vielschichtige und überspitzte Hommage an die Familie, gesellschaftlich zeitlos relevant.

Mit Ich fühl‘s nicht kommt Susanne Schmelcher Spielfassung von Liv Strömquists Comic auf die Bühne – das Publikum darf sich auf viel Bild- und Sprachwitz und weibliche Blickwinkel auf das Thema Liebe freuen.

Das preisgekrönte Adern der jungen Tiroler Autorin Lisa Wentz wiederum ist ein Stück über das Ungesagte zwischen zwei Menschen und jene Dinge, über die Generationen lang nicht gesprochen werden konnte.

Im Großen Haus wird die renommierte Regisseurin Amélie Niermeyer eindrucksvoll zeigen, warum Hamlet von William Shakespeare Theaterleute und Publikum gleichermaßen seit über vierhundert Jahren fasziniert.

Franz Grillparzers Trauerspiel Die Jüdin von Toledo zeigt den tragisch endenden Versuch einer Frau, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten. Regie führt Rudolf Frey, der zuletzt Kabale und Liebe am TLT inszeniert hat.

Tracy Letts Eine Familie, vielfach preisgekrönt und ein Riesenhit am Broadway, wird als letzte Produktion der Spielzeit noch einmal zahlreiche Mitglieder des jetzigen Ensembles auf der Bühne vereinen.

Im [K2] widmet sich Gondelgeschichten (AT), ein Dokumentarisches Theaterprojekt des Kollektivs Institut für Medien, Politik & Theater, dem Thema Skifahren nach Corona und rückt dabei scheinbare Fakten in ein anderes Licht. Philipp J. Ehmann verlagert für die Uraufführung des immersiven Theaterprojekts Relikte aus der Zukunft den Spielort in die Stadt und wirft einen positiven Blick in die Zukunft.

Junges Publikum

Christine Nöstlingers Kinderbuchklassiker Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse aus den Siebzigerjahren zeigt in den Kammerspielen, dass er nichts an Aktualität eingebüßt hat. Der fabelhafte Die thematisiert in gereimter Form die Suche nach Identität und macht dabei Lust auf Sprache. Schokolade liefert – ausgehend von der Frage, ob man Schokolade überhaupt teilen kann – ein humorvolles Experiment zum Thema Gerechtigkeit. Mit der tierisch-musikalischen Stückentwicklung Wenn Schnecken hausen geht es in die Kindergärten Tirols. Zwei Gastspiele liefert BABÄM! im Frühjahr 2023.

Ein ganz spezielles Projekt wird es nächste Saison in der Theaterpädagogik geben, nämlich den Theaterclub Generations, bei dem Teilnehmer*innen aller Altersstufen gemeinsam eine Aufführung für die Kammerspiele erarbeiten.

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Tanztheater

Die herausfordernden Zeiten rund um COVID-19 haben den Direktor der Tanzcompany Innsbruck, Enrique Gasa Valga, in der Auswahl seiner Produktionen für die Spielzeit 2022.23 maßgeblich beeinflusst, und so kommt mit Der große Gatsby die Sehnsucht nach einer glamourösen und ausschweifenden Party in das Große Haus: Mit seinem Roman Der große Gatsby gelang dem US-amerikanischen Autor F. Scott Fitzgerald 1925 ein wahres Meisterwerk. Das Porträt der „Roaring Twenties“ und die Liebesgeschichte von Jay Gatsby und Daisy Buchanan bieten eine perfekte Grundlage für ein faszinierendes Tanzabenteuer. Mit dabei: Publikumsliebling Greta Marcolongo und – nach längerer Zeit endlich wieder – Live-Musik auf der Bühne, die das Publikum in eine inspirierende und faszinierende Zeit entführen wird.

Die Italienerin Lara Brandi, seit 2014 Mitglied der Tanzcompany Innsbruck und durch zahlreiche Hauptrollen bekannt, wird in der kommenden Saison erstmals eine Choreografie kreieren. Sie widmet sich in Maledetto Modigliani ihrem Landsmann Amedeo Clemente Modigliani, einem Ausnahmekünstler, der zu Lebzeiten kaum Erfolg hatte, mit nur 35 Jahren an Tuberkulose starb, und erst nach seinem Tod größere Popularität erreichte. Das Leben dieses faszinierenden Künstlers wird Lara Brandi auf die Bühne der Kammerspiele bringen.

Ebenfalls in den Kammerspielen wird Madame Bovary zu sehen sein: Gustave Flauberts Roman über eine Frau der gehobenen Kreise, die sich in Romanzen stürzt, finanziell ruiniert und die Familie mit in den Abgrund reißt, wird mit den Mitteln des Tanzes erzählt.

Zum bereits sechsten Mal bringt Gasa Valga Protagonist*innen zeitgenössischer Choreografie nach Innsbruck, um Prestige und Internationalität des Hauses zu steigern. Der Abend Rhythm!! zeigt erstmals ein Stück des Schweden Alexander Ekman, der aktuell zu den weltweit begehrtesten Choreografen zählt. Er reflektiert in Cacti über das Verstehen von Kunst und lässt dabei verblüffende und humorvolle Bilder entstehen. Der aus Valencia stammende Nacho Duato entführt in Gnawa sein Publikum in die Welt des titelgebenden Volkes, das in Marokko beheimatet ist – spanische und nordafrikanische Klänge unterstreichen die sinnliche Eleganz des mediterranen Lebensgefühls. Gasa Valga selbst wird eine exklusive Choreografie für diesen Abend beisteuern.

Die Spielzeit 2022.23 bringt außerdem die Wiederaufnahme von Lorca, der tänzerischen Hommage an Federico García Lorca, eine der faszinierendsten Künstlerpersönlichkeiten Spaniens.

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Tiroler Symphonieorchester Innsbruck

Auch in der Spielzeit 2022.23 stehen acht Symphoniekonzerte auf dem Programm, drei von diesen leitet Kerem Hasan, Chefdirigent des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck.

Ein erster Höhepunkt wartet bereits im Oktober 2022, wenn er die Tänze aus Galánta von Zoltán Kodály einer Suite von Béla Bartok gegenüberstellt, die das Orchester noch nie gespielt hat: Der holzgeschnitzte Prinz. Erstmals in Innsbruck zu Gast wird Kerem Hasans Wunschsolist, Daniel Ciobanu, sein. Auch in seinem zweiten Programm erlebt das Publikum einen Wunschsolisten – Denis Kozhukin, zuletzt bei einem Gastspiel des TSOI im Großen Festspielhaus in Salzburg mit von der Partie. Zu hören sind unter anderem gleich zwei Opernausschnitte, Leoš Janácek Suite aus der Oper Das schlaue Füchslein sowie Richard Strauss‘ Symphonische Fantasie aus Die Frau ohne Schatten. Im Juni werden aus den TSOI-Musiker*innen Gipfelstürmer, wenn Eine Alpensinfonie von Richard Strauss gespielt wird. Als besonderen Gast begrüßt das Orchester den türkischen Komponisten und Pianisten Fazil Say, der mit Das verschobene Haus auch eine eigene Komposition beisteuern wird.

Lukas Beikircher, Chefdirigent der Musiktheatersparte des Tiroler Landestheaters, setzt sein Programm mit einer weiteren Bruckner-Sinfonie fort, diesmal erklingt die Siebte in E-Dur mit dem komponierten Andenken an den Tod Richard Wagners im 2. Satz. Auch zu hören: Vier Tondichtungen nach Arnold Böcklin von Max Reger, ein selten gespieltes Werk. Nach Verschiebungen dirigiert Ainārs Rubiķis nun endlich Pjotr Iljitsch Tschaikowskis 5. Symphonie, als Solistin erinnert die gefragte Geigerin Arabella Steinbacher mit Erich Wolfgang Korngolds Violinkonzert an dessen Geburtstag vor 125 Jahren. Teddy Abrams wird bei „American Classics“ als Dirigent und Solist im Congress zu Gast sein – auf dem Programm steht unter anderem George Gershwins Rhapsody in Blue.

Das TSOI steht außerdem am 9. September 2022 beim Eröffnungskonzert der Klangspuren Schwaz – Tiroler Festival für Neue Musik auf der Bühne. Karen Kamensek wird das traditionelle Neujahrskonzert leiten, Johannes Reitmeier übernimmt die Moderation.

Auch in der Saison 2022.23 werden die Sonntagsmatineen das Angebot des TSOI ergänzen und eine spannende Mischung aus Klassikern und Ausgefallenem bieten. Mit der Musikvermittlung „Zugabe“ erleben Menschen jeden Alters in kleinen und großen Formaten inspirierende Konzerterlebnisse mit dem TSOI – unter anderem das Schulkonzert Ratz Fatz und der Streicherzoo, das Mitmachkonzert Klangwerkstatt oder das Sitzkissenkonzert Die Omama im Apfelbaum. Eine wahre Symphoniepoesie wird erklingen, wenn Poetry Slammer*innen und TSOI-Musiker*innen gemeinsam auf einer Bühne stehen.

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Spielzeit 2021.22

Ein Überblick


 

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