Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck begrüßt zwei Spezialisten für tschechische Musik: den Dirigenten Tomáš Netopil und den Violinisten Josef Špaček, der das Innsbrucker Publikum in den seltenen Genuss seines ebenso virtuosen Bratschenspiels kommen lässt.
Heimat als unerreichbarer Ort, versinnbildlicht in dem utopischen Paradoxon, dass sich das europäische Binnenland Böhmen direkt am Meer befindet, ist als Ausdruck der existenziellen Suche nach Identität das Hauptmotiv von Ingeborg Bachmanns reflexivem Gedicht Böhmen liegt am Meer. Bezugnehmend auf die fiktiv-fantastische Welt von Shakespeares Wintermärchen spiegeln sich im Text ihre Reiseerfahrungen nach Prag und die Auseinandersetzung mit der altösterreichischen Nostalgie ihres Herkunftslandes, dessen Bewohner:innen ihr Zusammenleben selbst zwischen verschiedensten Lebenserfahrungen und Identitäten navigieren müssen.
Seit 1918 ist das ehemalige Böhmen Teil Tschechiens. Aus dieser gemeinsamen Heimat bringen der Dirigent Tomáš Netopil und der Geiger und Bratschist Josef Špaček für dieses Programm Werke von Dvořák, Martinů und Mozart, der selbst u. a. mit der Uraufführung des Don Giovanni in Prag einige seiner größten Erfolge feierte, mit nach Innsbruck.
Doppelt virtuos
Für seine beeindruckende Klangästhetik, konzentriert-packende Bühnenpräsenz und technisch-virtuosen Fähigkeiten gepriesen, erspielte sich der Tscheche Josef Špaček eine führende Position unter den Geiger:innen seiner Generation. Der ehemals jüngste Konzertmeister der Tschechischen Philharmonie widmet sich seit 2020 ausschließlich seiner Solokarriere als Violinist und tritt gelegentlich auch als Bratschist auf. Zu den Höhepunkten der letzten Spielzeiten zählen Debüts bei Orchestern wie dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, dem hr-Sinfonieorchester, dem Konzerthausorchester Berlin, dem Tonhalle-Orchester Zürich, Orchestre de Paris und Orchestre Philharmonique du Luxembourg.
Der tschechische Dirigent und studierte Geiger Tomáš Netopil war zunächst Musikdirektor des Prager Nationaltheaters, bevor er nach Essen wechselte, wo er von 2013–2023 Generalmusikdirektor des Aalto Musiktheater Essen und der Essener Philharmoniker war. Im Laufe seiner bisherigen Karriere dirigierte er u. a. Premieren an der Deutschen Oper Berlin, der Semperoper Dresden, der Bayerischen Staatsoper München und der Operá national de Paris. Er arbeitete außerdem mit bedeutenden Orchestern wie den Berliner Philharmonikern, dem Gewandhaus Orchester Leipzig, dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Staatsorchester Stuttgart, den Wiener Symphonikern, dem BBC Philharmonic Orchestra und dem Tonhalle Orchester Zürich. 2023/24 führen ihn Dirigate u. a. an die Staatsoper Hamburg sowie zum Frankfurter Opern- und Museumsorchester und zum Tonkünstler Orchester.
TEXT Johanna Muschong