Ihre Songs Mixed Feelings und Borders waren Nummer-eins-Hits der FM4 Charts und liefen im Radio rauf und runter. Nun steuert die gebürtige Ötztalerin NENDA, die seit zehn Jahren in London lebt und arbeitet, zusammen mit dem Innsbrucker Musiker Thomas Krug die Musik für das Tanzstück Safe Ground bei. Im Interview geben die beiden Auskunft über ihre Inspiration und den Arbeitsprozess für die Uraufführung, die ab dem 9. Dezember in den Kammerspielen zu erleben ist.
«In meinem Schaffen gibt es eigentlich nie etwas
Unpersönliches, es muss immer aus irgendeiner
Ecke meines Herzens kommen.»
NENDA, Musikerin & Schauspielerin
NENDA, du und Thomas kreiert momentan die Musik für ein Tanzstück. Befindest du dich da persönlich auf «safe ground» – also auf sicherem Boden – oder ist das eher unbekanntes Terrain für dich?
NENDA Ich habe oft Musik für Schauspielstücke geschrieben, das kenne ich seit der Schauspielschule. Aber es ist etwas ganz Neues für mich, mit Tänzer:innen zu arbeiten. Das ist eine schöne Erfahrung, und ich habe auch schon sehr viel dabei gelernt.
Thomas, wie geht ihr beide musikalisch in Verbindung mit der Choreografie vor, wie funktioniert dieser Prozess?
Thomas Aufgrund der neuen Erfahrung, eine Komposition für den Tanz zu schaffen, war es bis jetzt ein bisschen wie das Vorantasten im Dunklen. So genau wussten wir anfangs nicht, was auf uns zukommen wird. Die Inspiration kam dann vor allem aus den Gesprächen mit den Tänzer:innen und deren persönlichen Geschichten und was in den Proben tänzerisch gezeigt wurde. Am gemeinsamen Arbeitsplatz, im Homestudio, können wir das Erlebte vertonen und bringen den Sound dann in die Proben mit. Ganz einfach ist das nicht, da man sich in einer großen Gruppe nicht immer in derselbe Gefühlswelt befindet und es eine Herausforderung ist, beim kreativen Schaffen im Gleichschritt zu gehen – aber wir haben einen guten Weg gefunden.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Tanzsparte des TLT?
NENDA Marcel Leemann hat mich im Herbst 2022 kontaktiert und für eine Zusammenarbeit angefragt, worauf ich erst einmal abgelehnt habe, weil ich irrtümlicherweise dachte, es handelt sich um eine Produktion im Dezember letzten Jahres … so kurzfristig hätte ich keine Zeit gehabt. Nachdem das Missverständnis geklärt und alle Daten geregelt waren, habe ich mich sehr gefreut, dass er mich gefunden und angefragt hat! Und auch, dass ich Thomas mit ins Boot holen konnte.
In Safe Ground werden Themen wie Abschied und Ankunft, Heimat und Neuorientierung, das Fremdsein oder Anderssein, Beziehungen zu Partner:innen, Freund:innen sowie der Familie beleuchtet. NENDA, inwieweit kannst du dich mit der Thematik des Abends identifizieren?
NENDA Für mich sind das sehr bekannte Themen. Ich zog damals mit 19 Jahren nach England und absolvierte eine Schauspielausbildung, um meinen Traum zu verfolgen – ähnlich, wie das ja auch bei den Tänzer:innen in der Company der Fall ist. Dafür muss man zwar einiges aufgeben und hinter sich lassen, bekommt aber, was man sich lange gewünscht hat. Das war es für mich auf jeden Fall wert, auch wenn es nicht einfach ist, sich selbst eine neue Heimat zu bauen. Es geht darum, die Balance zu finden zwischen der Erfüllung eines Traums und der Opfer, die diese mit sich bringt.
Wie viel ist von euch beiden persönlich drin in dieser Produktion?
NENDA In meinem Schaffen gibt es eigentlich nie etwas Unpersönliches, es muss immer aus irgendeiner Ecke meines Herzens kommen. Ich habe die Impressionen, die ich von den Tänzer:innen bekommen habe, in meine Texte inkludiert und versucht, unser aller Gefühlswelt in Worte zu fassen – und da ist natürlich viel auch von mir mit drin.
Thomas Dadurch, dass wir die Musik gemeinsam erarbeitet haben, ist viel Persönliches drin – nicht nur Ideen von mir und/oder gemeinsam mit NENDA – sondern speziell diese Impulse, die nur entstanden sind, weil man mit der großen Gruppe einen gemeinsamen Prozess eingegangen ist. In die Musik fließt das dann logischerweise ein, denn wir bekommen umgekehrt auch sehr viel Respekt und Love von der Gruppe. Also respektiert man sich gegenseitig. Natürlich ist meine ganz persönliche Note auch vorhanden, das ist mir schon wichtig. Ich identifiziere mich ja auch stark mit unserer Musik.
Steht ihr beide selbst auch auf der Bühne in der Produktion?
NENDA Ich stehe selbst nicht auf der Bühne und singe, aber ich werde in anderen Formen an dem Abend erscheinen und zu hören oder zu sehen sein.
Thomas Ich ja. Das Gros der Musik entstand während der Probenzeit und wurde mit echten Instrumenten eingespielt und mit dem Computer produziert. Für die Kammerspiele und die dort vorhandene technische Einrichtung wird alles nochmal speziell angepasst. Abgespielt wird die Musik dann vom Technikteam, aber ein gewisser Anteil wird in Echtzeit von mir kommen, v. a. mit meinem Lieblingsinstrument, der E-Gitarre, und vielen Effekt-Pedalen. Das Ganze funktioniert sozusagen als Hybrid.
Was erwartet das Publikum und was erhoffst du dir, NENDA, persönlich von diesem Abend?
NENDA Einen ehrlichen Ausdruck von Gefühlswelten und Einblicke in die Verletzlichkeit des gesamten Tanzensembles sowie in Thomas’ und meine. Ich hoffe, dass das Publikum sich damit identifizieren und mit einem erweiterten Horizont aus der Vorstellung gehen kann.
NENDA, du lebst ja gewissermaßen in bzw. zwischen zwei Welten. Wo ist eigentlich dein persönlicher safe ground?
NENDA Mein safe ground ist immer da, wo meine liebsten Leute sind. Das kann entweder im gleichen Raum sein oder am anderen Ende des Telefons. Ansonsten ist mein safe ground auch daheim auf dem Sofa mit meiner Häkelnadel – ich brauche immer etwas Meditatives zu machen … basteln … ja!
FRAGEN Stefan Späti