Morbide Delikatessen

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Nach 15 Jahren Verbannung kehrt Benjamin Barker als Sweeney Todd nach London zurück, um sich bitter zu rächen – und findet in Mrs. Lovett eine Verbündete.

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© Amir Kaufmann

Unschuldig und unglücklich

Mögen Sie Fleischpastete? Wenn ja, könnte es sein, dass Sie noch einmal gründlich darüber nachdenken sollten, ehe Sie in dieselbe beißen.

Die Geschichte von Sweeney Todd, wie der amerikanische Komponist und Textdichter Stephen Sondheim sie erzählt, ist tragisch und sie verläuft im wahrsten Sinne des Wortes blutig. Als Benjamin Barker wird er unschuldig ins Gefängnis geworfen – aufgrund einer Intrige des mächtigen Richters Turpin, welcher Barkers Frau begehrt. Jahre später kehrt er als Sweeney Todd nach London zurück – mit der Absicht, sich zu rächen. So wird er zum teuflischen Barbier der Fleet Street „und zwar mithilfe von Mrs. Lovett, die Todd als Barker wiedererkennt“, so Regisseur Dale Albright. „Da sie schon immer in ihn verliebt war, lässt sie Todd in dem Glauben, seine Frau sei aufgrund einer Vergiftung gestorben.“

„In viktorianischen Zeiten war das Leben
für das normale Volk nicht rosig und es fiel
gar nicht auf, wenn manche Menschen
ohne Grund verschwanden.“

Dale Albright

Nachdem Lovett praktisch veranlagt ist und „ein Plan nur dann gut ist, wenn man ihn plant“, werden die Opfer von Todds Rachefeldzug zu Fleischpastete verarbeitet, um ihr Geschäft anzukurbeln. „In viktorianischen Zeiten war das Leben für das normale Volk nicht rosig und es fiel gar nicht auf, wenn manche Menschen ohne Grund verschwanden“, weiß der Regisseur. Das Stück spiegelt die düstere Atmosphäre des 19. Jahrhunderts perfekt wider – ein Grund, um Bühne (Helfried Lauckner) und Kostüme (Michael D. Zimmermann) auch in dieser Zeit zu belassen.

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Dale Albright will dem ursprünglichen Musical treu bleiben, das einige Zuschauer*innen möglicherweise aus Tim Burtons Verfilmung kennen, die allerdings vom Original abweicht. „Ich möchte alles rausholen, es auch ein wenig updaten, aber insgesamt vor allem ehrlich darstellen. Sweeney Todd ist schwer umzusetzen, da das Stück sehr viele Spielorte hat und wir sie auch zeigen möchten. Daher ist sehr viel los auf der Bühne. Es wird makaber, aber auch lustig. Und es gibt wunderschöne, romantische, ruhige Momente“, plaudert Albright aus dem Nähkästchen.

Gearbeitet wird unter anderem mit Projektionen und Videos, um bestimmten Situationen verstärkt Ausdruck zu verleihen. Aber auch die vielen Facetten der Figuren seien überaus spannend für den Regisseur. „Natürlich handelt es sich um seelisch kranke Menschen, die viele unterschiedliche Persönlichkeiten in sich tragen und schnell switchen – gerade das finde ich sehr reizvoll.“

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Traumhafte Musik für blutiges Musical

„Die Musik zu Sweeney Todd ist traumhaft und sehr erzählerisch. Sondheim hat die Texte sehr clever geschrieben“, schwärmt Albright. „Bestimmte Passagen zu übersetzen, ist sehr schwer, die Sprache fast unantastbar.“ Dass das Musical in seiner Muttersprache geschrieben ist, erleichtert es dem Regisseur, sich in die Szenen hineinzufühlen. „Ich weiß genau, was gemeint ist, und kann den Darsteller*innen, die nicht mit der Sprache aufgewachsen sind, helfen, gewisse Gedankenprozesse nachzuvollziehen.“

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Aufgrund der Poesie der Originalsprache wurde entschieden, die Gesangstexte in Englisch zu belassen und die Dialoge in Deutsch auf die Bühne zu bringen. Die Originalfassung ist sehr emotional. Die Musik ist extrem lyrisch und geht bisweilen in Richtung Oper. „Daher wird Sweeney Todd vermehrt mit Opernsänger*innen besetzt. Man darf aber nicht vergessen, dass es ein Musical ist und dieses anders gesungen werden muss als eine Oper.“

Das Publikum darf sich auf ein düsteres Stück, gespickt mit heiteren Momenten, freuen. Ehrlichkeit und Respekt sind die beiden prägnanten Themen, die den Regisseur im Zusammenhang mit dem Musical bewegen. „Ehrlichkeit ist am wichtigsten. Wenn jeder ehrlich und respektvoll gewesen wäre, wäre das alles nicht passiert. Der Richter hat mit seinem Urteil am Anfang der Geschichte bereits sein eigenes Ende unterschrieben.“ Wie es zu diesem Ende kommt, kann man auf der Bühne des Großen Hauses ab 30. April gespannt verfolgen.

Text: Patrizia Reppe-Pichler


Sweeney Todd

Musical Thriller von Stephen Sondheim.
Liedtexte von Stephen Sondheim. Buch von Hugh Wheeler
nach dem Theaterstück von Christopher Bond.
Deutsche Fassung von Wilfried Steiner und Roman Hinze.

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