Was ihr wollt – Was ich will

   Blogbeitrag

Liebe und Einsamkeit der Figuren in Shakespeares romantischer Komödie – die Dramaturgin Diana Merkel und das Ensemble von Was ihr wollt beschreiben lustvoll ihre gemeinsame Suche nach einem zeitgemäßen Zugang.

Die Zwillinge Viola und Sebastian erleiden Schiffbruch und können sich unabhängig voneinander an die Küste von Illyrien retten. So beginnt Shakespeare seine um 1601 entstandene Komödie Was ihr wollt. Der Autor lässt beide Figuren im Glauben die jeweils andere Person sei ertrunken und ausgelöst durch die Verkleidung Violas als Mann entspinnt sich am Hof des Herzogs Orsino eine Kaskade von Verwechslungen und Verirrungen von Liebe und Begehren.

Die Schauspielerin Ulrike Lasta sieht darin die Triebfeder der Erzählung:

„Alle Figuren in diesem Stück folgen einem persönlichen Begehren,
das zumeist unerfüllt bleibt. Daraus entsteht ein
großer Teil der Komik dieses Stückes.“

Ulrike Lasta, Maria

In der Inszenierung der Niederländerin Anne Mulleners gibt es allerdings eine entscheidende Umdeutung der Handlung. Tommy Fischnaller-Wachtler, der beide Geschwister spielt,
erläutert: In unserer Version von Was ihr wollt sind beide Figuren – Viola und Sebastian – dieselbe Person. Viola wurde als Sebastian geboren und von der Gesellschaft als männlich definiert. Davon konnte sie sich lösen und ihre weibliche Identität als Viola annehmen. Wir versuchen durch diesen queeren Ansatz den Konflikt der äußerlichen Verwechslung zu einem inneren Konflikt der Figur zu machen. Dadurch entstehen neue Fragen: Wie weit bin ich bereit, mich zu verändern für andere? Was tue ich, um von anderen geliebt und anerkannt zu werden? Wodurch dann eigentlich diese Frage aufkommt: Was will ich? Was ich will – was ihr wollt. Zusätzliche Texte des Queer-Philosophen Paul B. Preciado, der als Frau geboren wurde und der nicht binären Wiener Autor:in Mae Schwinghammer führen bildhaft in diese Welt hinein.

Die Inszenierung ist vielsprachig: Pasquale di Filippo beispielsweise spricht die Texte seiner Figur Orsino auf Italienisch, Deutsch und Englisch.

„Drei verschiedene Sprachen bedeuten für mich drei verschiedene
Kulturen, Welten und Systeme, um sich trotz politischer, ethischer und
wirtschaftlicher Barrieren miteinander zu verständigen.“

Pasquale di Filippo, Orsino

Dazu passend schildert Julia Posch den Konflikt ihrer Figur:

„Olivia ist ein bisschen wie ein Superstar, die sich ja
trotz der ganzen Aufmerksamkeit oft sehr einsam fühlen.
Und es ist irrsinnig viel Organisationsarbeit, sich diese ganzen Leute
vom Leib zu halten, um dann endlich mal alleine zu sein.“

Julia Posch, Olivia

Allein ist auch die Hofmeisterin Olivias, die Sara Nunius so beschreibt:

„Malvolia macht zum ersten Mal in ihrem Leben die Erfahrung
der romantischen Liebe. Darauf folgt direkt die bittere Erkenntnis,
dass diese Erfahrung der Liebe nichts mit der Realität zu tun hat.“

Sara Nunius, Malvolia

Petra Pippan, die den ebenfalls unglücklich verliebten Antonio sowie den Narren spielt, teilt ihren Lieblingssong des Abends:

„Ich habe mich sofort in das Lied «Lover please stay» von
Nothing but Thieves verliebt. Es drückt sowohl die tiefe Hingabe, die Antonio für
Sebastian empfindet, aus, aber eben auch ganz viel Schmerz und das
zeigt die zwei Seiten eines derart tiefen Gefühls.“

Petra Pippan, Antonio

Gegenpol zu den hard feelings der Protagonist:innen sind die beiden dauerbetrunkenen Figuren Sir Toby und Sir Andrew.

„Also unsere Freundschaft ist aus einem sehr fluiden Holz, nämlich
aus Alkohol, geschnitzt. Die Ekstase, die von Toby ausgeht,
die befruchtet Andrew, und Andrew ist wiederum für Toby
eine gute Möglichkeit, sich um jemanden zu kümmern,
auf eine sehr unerwachsene Weise. Aber trotzdem hat er eine Aufgabe.
Auch so entkommt man dem Alleinsein.“

Stefan Riedl und Florian Granzner, Sir Toby und Sir Andrew


WAS IHR WOLLT

von William Shakespeare

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