Humbug, Humbug, alles Humbug!

   Blogbeitrag

Das Tiroler Landestheater zeigt die zeitlose Parabel Eine Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens ab 14. November in den Kammerspielen. In der Fassung des Dramatikers Philipp Löhle bleibt die Geschichte gesellschaftskritisch – und herrlich ironisch.

„Ich finde es sehr schön,
eine einfache Geschichte über Empathie
und Teilen zu erzählen. Ohne zu viel
Moral und Zeigefinger.“

Verena Koch, Regisseurin

Im englischsprachigen Raum gibt es kaum ein Kind, das ihn nicht kennt: Ebenezer Scrooge. Und Disney sei Dank zählt die Geschichte des knausrigen Miesepeters und seiner Wandlung mittlerweile auch bei uns zu den großen Klassikern der Kinderliteratur. Sein Name steht sprichwörtlich für einen Geizkragen oder jemanden, der sich ständig beklagt, und wie sein Namensvetter Scrooge McDuck (dt.: Dagobert Duck) interessiert sich auch Ebenezer Scrooge mehr für Zahlen als für seine Mitmenschen.

Für seinen Erfolg hat er viele Opfer gebracht, selbst seine große Liebe. Er ist sparsam mit sich – und noch mehr mit allen anderen. Schuldenstundung oder freie Tage sind ihm gänzlich fremd. Weihnachten ist ihm verständlicherweise ein besonderer Graus. Diese Gefühlsduselei und unnötigen Ausgaben – Geschenke, die ohnehin keiner braucht oder will, und schlimmer noch: Spenden für Bedürftige. Was für ein Humbug! Dafür bezahlen Besserverdiener wie Scrooge doch mit ihren Steuern.

Es ist wenig verwunderlich, dass Philipp Löhle in diesem Stoff viel unseres heutigen Zeitgeistes erkannte – „Geiz ist geil“, damit lässt sich sogar Werbung machen. Löhle, mehrfach ausgezeichnet vor allem für seine gesellschaftskritischen Theatertexte, hat Charles Dickensʼ Werk einmal kurz geschüttelt, mit Feingefühl entstaubt und Eine Weihnachtsgeschichte mit der ihr eigenen feinen Ironie in die Gegenwart geholt.

„Stück für einen Scrooge und jede Menge Geister“

Und was macht die Erzählung nun zur Parabel? Die zauberhafte Wandlung, die der Urvater der Weihnachtshasser schließlich durchmacht! Den Warnungen seines verstorbenen Geschäftspartners will Scrooge nicht trauen, der ist doch verstorben, so ein Humbug! Doch wenig später wird er auch schon aus dem Bett geholt: Drei Geister suchen Scrooge heim und bereisen mit ihm die Weihnachtsabende der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Das lässt die Zuschauer*innen zum einen mehr mit Ebenezer mitfühlen, zum anderen aber zeigt es ihm selbst, welch unschönes Bild die Zukunft für ihn bereithält. Zeit für einen Wandel also!

video - Titelbild

Ein Stück mit vielen Herausforderungen

Geisterbesuche, verschiedenste Traumwelten, Büroräumlichkeiten und Wohnräume – all das auf einer Bühne unterzubringen, war eine wahre Herausforderung für die Ausstatterinnen Julia Neuhold und Netty Eiffes. Mit mehreren Spielebenen, Treppen in die Unterwelt und ein bisschen Magie ist es den beiden aber gelungen, sämtliche Spielorte in ihrem Bühnenbild unterzubringen. Zusätzlich zu den zahlreichen Ortswechseln gibt es in Eine Weihnachtsgeschichte auch eine ganze Reihe an Figuren einzukleiden, zu spielen und zu inszenieren.

Fünf Schauspieler*innen und zwei Statist*innen schlüpfen in 25 unterschiedliche Kostüme und beinahe so viele Figuren. Regisseurin Verena Koch blickt zufrieden auf die gemeinsame Probenzeit zurück: Mit viel Gefühl ist es dem Team gelungen, dieser Fülle an Figuren gerecht zu werden und die vielen Situationen nicht nur abzubilden, sondern tatsächlich entstehen zu lassen. „Ich finde es sehr schön, eine einfache Geschichte über Empathie und Teilen zu erzählen. Ohne zu viel Moral und Zeigefinger. Ich möchte Scrooge ja auch nicht vorführen, sein Handeln soll nachvollziehbar bleiben. Dann sehen wir nichts Abschreckendes, sondern den Scrooge in uns“, erzählt die Regisseurin.

Leichtfüßig entkommt ihre Inszenierung der Gefahr, in Klischees zu verfallen, und schafft dabei, was man sich für jedes Familienstück wünscht: das junge wie ältere Publikum zum Lachen zu bringen, die Spannung zu halten und dabei die Zuschauer*innen nicht zu erschrecken. Verpackt in charmantem englischem Weihnachtsambiente, begleitet von tatsächlich fröhlichen Weihnachtsliedern, fühlt man sich beseelt von ebenjenem Weihnachtszauber, der für Charles Dickens ebenso typisch ist wie seine Gesellschaftskritik.

Text: Uschi Oberleiter
Fotos: Andrea Leichtfried


Eine Weihnachtsgeschichte

Schauspiel für junges Publikum von Philipp Löhle.
Nach dem Roman von Charles Dickens.

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