Kunst gegen Macht

   Blogbeitrag

In Tosca prallen zwei Welten mit elementarer Wucht aufeinander. Regisseur Thilo Reinhardt spricht über einen Klassiker, der immer wieder neu gedacht werden kann.

Im konservativen System des brutalen Polizeichefs Scarpia ist kein Platz für die Utopien eines Künstlerpaars. Tosca muss sich dieser Realität stellen, als ihr Geliebter, Cavaradossi, in einen tödlichen Konflikt mit Scarpia gerät. Thilo Reinhardt setzt sich für die Inszenierung von Tosca die zeitgenössische Brille auf und übersetzt den Opernklassiker Puccinis in unsere Zeit.

video - Titelbild
Aurelia Florian (Tosca), Alejandro Roy (Cavaradossi) und Thilo Reinhardt (Regie) | © Amir Kaufmann

Herr Reinhardt, Sie haben Tosca 2012 bereits für die Oper Köln auf die Bühne gebracht. Was haben Sie für die Inszenierung in Innsbruck geplant?
Reinhardt: Wir werden etwas komplett Neues machen. Ich habe mich verändert, die Welt hat sich verändert, und für mich war von Anfang an klar, dass wir auch die Inszenierung von Tosca nochmals komplett neu denken müssen. Damals ließen wir die Geschichte historisch im Rom des Zweiten Weltkriegs unter der deutschen Besatzung stattfinden und das Ganze spielte in einer Kirche. Dieses Mal haben wir uns dazu entschieden, das Narrativ in die Gegenwart zu übersetzen.

„Ich habe mich verändert, die Welt hat sich verändert,
und für mich war von Anfang an klar,
dass wir auch die Inszenierung von Tosca
nochmals komplett neu denken müssen.“

Thilo Reinhardt

Wird dadurch auch thematisch ein neuer Fokus gelegt?
Reinhardt: Die Grundgeschichte wird dieselbe bleiben, aber eingebettet in einen zeitgenössischen Kontext. Allen drei Hauptfiguren – Tosca, Cavaradossi und Scarpia – wird ein eigener Raum gewidmet, in dem sie sich jeweils auf ihre ganz eigene Weise verwirklichen können. Der erste Akt spielt in einem Atelier, wo Cavaradossi versucht, dem Prinzip der Schönheit auf den Grund zu gehen.

Im zweiten Akt wechseln wir in die Verhörzentrale von Scarpia. Hier will er den Sadismus wie eine Kunst zur Vollendung bringen und Bilder der Grausamkeit und des größtmöglichen menschlichen Entsetzens produzieren – die seine Leidenschaft zum Rasen bringen. Sein „künstlerischer“ Ehrgeiz ist es, äußerste Authentizität herzustellen. Er will aus der Diva echte Schmerzensschreie herausholen, indem er vor ihren Augen den Geliebten foltern lässt. Im dritten Akt finden wir uns in der Welt der Bühne wieder. Dort versucht die Sängerin Tosca, die entsetzliche Realität der Hinrichtung ihres Geliebten mit ihren Mitteln der Opernbühne zu verwandeln, in eine Utopie der Freiheit.

video - Titelbild
Aurelia Florian (Tosca), Alejandro Roy (Cavaradossi) und Thilo Reinhardt (Regie) | © Amir Kaufmann

Gelingt ihr das?
Reinhardt: Leider nein. Toscas Illusion des Künstlerpaars, das die Welt schöner machen kann, platzt schlussendlich. Die Utopie wird wieder von der Realität eingeholt. Tosca stellt eine sehr spannende Frauenfigur dar.

Im Original wandelt sie sich von der Operndiva zur tapferen Heldin. Wie wird sie sich in Ihrer Inszenierung entwickeln?
Reinhardt: Tosca ist als eine im Elfenbeinturm lebende und gefeierte Künstlerin sehr privilegiert, fungiert dadurch aber auch als ein Aushängeschild der konservativen Regierung. Im Verlauf des Stücks gewinnt sie schließlich die Erkenntnis, dass man in einem schmutzigen System selbst nie sauber bleiben kann und dass damit auch ihre Kunst zum Erhalt des Regimes beiträgt.

„Neben der Geschichte, die zeitlos ist,
finde ich auch die Musik unglaublich packend.
Sie ist liebevoll, zart und gleichzeitig kraftvoll, teilweise auch brutal.
Das gibt auf der Bühne sehr viel Energie.“

Thilo Reinhardt

Was ist das für ein Regime?
Reinhardt: Die ultrakonservative Regierung unter Scarpia steht als Gegenposition zur liberalen Partei. Das Stück beginnt mit der Siegesfeier der konservativen Partei, wodurch eine Zeitenwende der radikaleren Politik eingeläutet wird. Die teilweise frivole Kunst Cavaradossis ist ihr dabei ein Dorn im Auge, weshalb sie sein Atelier in Beschlag nimmt, seine Werke verbrennt und so eine Art Säuberung durchführen will.

Was fasziniert Sie an der Oper?
Reinhardt: Neben der Geschichte, die zeitlos ist, finde ich auch die Musik unglaublich packend. Sie ist liebevoll, zart und gleichzeitig kraftvoll, teilweise auch brutal. Das gibt auf der Bühne sehr viel Energie.

Freuen Sie sich schon darauf, wieder in Innsbruck zu sein?
Reinhardt: Auf jeden Fall. Mit den Sängerinnen und Sängern des Tiroler Landestheaters kann man wunderbar zusammenarbeiten. Die letzten zwei Produktionen – Rusalka und Simon Boccanegra – habe ich sehr genossen und ich freue mich schon auf die Neuinszenierung von Tosca.

Text: Natalie Hagleitner


Tosca

Oper von Giacomo Puccini.
Text von Luigi Illica und Giuseppe ­Giacosa
nach dem gleichnamigen Drama von Victorien Sardou.

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