Absurde Abgründe und hohe Emotionalität

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1986 brachte die Autorin, Schauspielerin und Zirkusartistin Coline Serreau das Theaterstück Hase Hase heraus. Im Zentrum steht Familie Hase, die in einer kleinen Wohnung lebt. Es sind aufregende Zeiten, denn nicht nur die politischen Verhältnisse sind turbulent, auch die Familie als solche ist es – ziehen doch die erwachsenen Kinder eins nach dem anderen in die elterliche Wohnung zurück. Gut, dass Mama den Laden zusammenhält.

„Ich habe das Stück bereits vor 24 Jahren kennen gelernt“, so Regisseurin Susi Weber, „damals war ich noch Regieassistentin am Münchner Volkstheater. Und ich weiß noch, wie sich für mich die Situationen des Stücks damals angefühlt haben. Denn Hase Hase hat eine hohe Emotionalität, weil es neben all der Komödie, allen absurden Abgründen und Katastrophen eigentlich ein Stück über Familie ist.“ Petra Alexandra Pippan, die Darstellerin der Mama, pflichtet ihr bei: „Das Stück fühlt sich sehr lebendig an, sehr realistisch, auch wenn es oft sehr überzeichnet ist. Und es ist so konkret: Es ist eine Küche aufgebaut, ein Wohnzimmer, es gibt Geschirr, Töpfe, Essen … Es fühlt sich nach Familie an, nach Familienalltag.“

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Und weil sie zuletzt die Frau Bartolotti in Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse gespielt hat, ergänzt sie: „Mama Hase ist für mich Berti Bartolotti Next Generation – so nach 20 Jahren. Bei Konrad ist es ja das Anfangsstadium des Mutterseins, wo man sich denkt: Oh Gott, wie schaff’ ich denn das alles? Und Mama Hase denkt sich: Oh Gott, wie habe ich das denn alles geschafft?

„Beide Mütter“, so Pippan, „gehen mit den besten Absichten heran, wollen alles richtig machen und jedes Kind, so gut es geht, durchs Leben begleiten – aber Mama Hase sieht einfach, dass das ein sehr hochgegriffener Wunsch war, allen gerecht zu werden. Sie sitzt in ihrer wilden Achterbahn des Lebens“, führt sie weiter aus, „aber irgendwie geht es dann doch, denn sie hat es ja bereits 20 Jahre irgendwie geschafft.“

„Aber ist das nicht gerade eine Beschreibung von bedingungsloser Liebe?“, ergänzt Susi Weber, „denn sie könnte ja jederzeit aus dieser Achterbahn aussteigen.“

„Für Mama Hase ist es letztendlich wurscht, was die Kinder
an dummen Dingen tun – was bleibt, ist die unerschütterliche Liebe zu ihnen.
Und das ist doch etwas ganz Tolles!“

Susi Weber, Regisseurin

Ein Stück Science Fiction

Eine Besonderheit des Stücks ist, dass sich der jüngste Spross, genannt Hase (mit vollem Namen also: Hase Hase – daher der Stücktitel), als Außerirdischer entpuppt. Science Fiction in einer Komödie? „Ich habe mich noch nicht zu hundert Prozent entschieden, ob Hase jetzt wirklich ein Außerirdischer ist“, so Susi Weber, „oder einfach nur ein Kind mit einer sehr großen Fantasie, das sich in eine andere Welt träumt. Vielleicht hat es sich mit der Idee, ein Fremdkörper in dieser Familie zu sein, einen Schutz aufgebaut, um mit all den Widrigkeiten dieser Familie umgehen zu können. Das Stück gibt, finde ich, beiden Möglichkeiten Raum.“ „Mama Hase nimmt ihr Kind, wie es ist“, ergänzt Pippan, „egal, wie sonderlich es auch wirkt.“

Und was ist mit den politischen Verhältnissen? „Die Neue Ordnung, von der immer die Rede ist, ist das sich formierende neue Staatssystem, eine aufkommende Diktatur – und eine klare Bedrohung für die Familie Hase. Sie wird aber auch schon von der Familie bekämpft, denn zwei Söhne arbeiten im terroristischen Untergrund, wie sich im Laufe des Stücks herausstellt“, so Susi Weber.

Ein Stück wie Zuhause

Ist dann Hase Hase eine Komödie des Scheiterns? „Nein“, fährt sie fort, „es ist ein Plädoyer, nie aufzugeben: Immer Familie, immer zusammen, immer gemeinsam – und dann geht’s!“ Und was schätzt Petra Alexandra Pippan am Stück? „Hase Hase ist wundervoll geschrieben, ich fühle mich erschreckend zu Hause in dem Stück. Einerseits ist es schon schräg, wenn man auf der Bühne Sachen erlebt, die man aus seinem Leben auch kennt. Andererseits ist es toll zu merken, dass ein ausgedachter Text so im Leben wurzelt.“

Von Axel Gade

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HASE HASE

Farce von Coline Serreau
Aus dem Französischen von Marie Besson in der Neufassung aus dem Jahr 2019

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