Vor dem Hintergrund des Nahost- Konflikts forschen in Vögel zwei junge Menschen nach ihren Wurzeln und lösen ungeahnte Ereignisse aus.
Eigentlich könnte die Beziehung zwischen dem deutschen Genforscher Eitan und der Amerikanerin Wahida eine glückliche Liebesgeschichte werden. Doch als Eitan Wahida seiner Familie vorstellen will, tun die sich schwer mit der Beziehung. Denn Eitan ist Jude. Wahida ist zwar eine moderne Frau, aber ihre Eltern stammen aus Palästina. So kommt es zum Streit beim Familienessen.
Besonders David, Eitans Vater, stellt sich gegen die Verbindung seines Sohnes. Frustriert zweifelt Eitan an, dass er mit einem solch konservativen Menschen verwandt sein soll. Geistesgegenwärtig – und ganz Wissenschafter – packt er das Essbesteck seiner Eltern und seines Großvaters ein, um zu beweisen, dass er nicht Davids Sohn ist. Doch das DNA-Ergebnis ist anders als erwartet und verweist auf ein größeres Familiengeheimnis.
Eitan macht sich gemeinsam mit Wahida auf Spurensuche in Israel und gerät in ein terroristisches Attentat. Schwer verletzt liegt er im Krankenhaus in Jerusalem. Hier tun sich nicht nur Abgründe in der jüdischen Familie auf, auch Wahida muss schmerzliche Erfahrungen hinsichtlich ihrer Heimat machen.
Familiengeschichte in der Konfliktzone
„Obwohl Mouawad in Vögel viele schwierige Themen verarbeitet, bleibt das Stück nicht abstrakt. Es beginnt als Liebesgeschichte und geht in einem Familienkonflikt auf. Jede*r in der Geschichte wird mit der Frage konfrontiert, was Identität in unserer globalisierten Welt ausmacht“, sagt Phillip Henry Brehl, der den jungen Genforscher Eitan Zimmermann spielt.
„Das sind starke Charaktere, obwohl sie sich
selbst zum Opfer machen. Jede*r und keine*r hat Recht zugleich.
Das macht es schwer, bei dem Stück auf Distanz zu bleiben.“
Susi Weber, Regisseurin
„Man steigt emotional hoch ein und das Level wird gehalten“, erläutert Regisseurin Susi Weber. Die Figuren in Vögel sind allesamt klar gezeichnet: „Das sind starke Charaktere, obwohl sie sich selbst zum Opfer machen. Jede*r und keine*r hat Recht zugleich. Das macht es schwer, bei dem Stück auf Distanz zu bleiben.“ Der erschreckend aktuelle Nahost-Konflikt und die jüdische Zugehörigkeit sind zentrale Themen und prägen die Haltung der Figuren. Etgar, Eitans Großvater, überlebte den Holocaust und kämpfte dann im Sechstagekrieg in Israel mit. Norah, Eitans Mutter, wusste lange Zeit nicht, dass sie jüdische Wurzeln hat.
Mit den Schatten der Vergangenheit hat aber auch Wahida zu kämpfen. „Sie ist in den USA aufgewachsen und hat zunächst keinerlei Berührungspunkte zur Kultur ihrer Vorfahren“, erzählt Christina Constanze Polzer. Sie spielt die junge Amerikanerin mit arabischen Wurzeln. „Aber sie spürt dennoch eine Lücke in sich, beschäftigt sich mit dem Thema Zugehörigkeit und wird am Ende mit voller Breitseite von ihren Emotionen getroffen“, erklärt Polzer. Nicht nur Herkunft und Religion, auch Sprachen spielen im Stück eine wichtige Rolle. In der Uraufführung sprachen die Figuren in ihrer jeweiligen Muttersprache, in Deutsch, Englisch, Hebräisch und Arabisch. Am TLT ist die komplett deutsche Fassung zu sehen.
„Die vielsprachige Inszenierung beleuchtet sicherlich unmittelbarer die Frage der Identität. Aber ohne Übertitel sind dafür die Zusammenhänge und Gefühle besser und direkter nachvollziehbar“, so Weber. Die Regisseurin und ihr Ensemble sind froh und dankbar, dass man das Stück, das wegen des ersten Lockdowns im März 2020 nur zweimal aufgeführt werden konnte, nun noch einmal zeigen kann.
Interview: Ines Burkhardt
Arabisch auf der Bühne
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